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Ratgeber

Kind lügt

Lesezeit: ca. 4 Minuten
Überblick
Was tun, wenn das Kind ständig lügt?

Das Thema “Lügen bei Kindern” ist komplex und emotional aufgeladen. Eltern fühlen sich oft hilflos oder sogar persönlich verletzt, wenn ihr Kind wiederholt die Wahrheit verdreht. Doch es ist wichtig zu verstehen, dass Lügen bei Kindern in vielen Fällen normal ist und oft mehr über ihre Entwicklungsphase, Ängste oder Bedürfnisse aussagt als über einen vermeintlichen „Charakterfehler“. Indem Eltern den Ursachen auf den Grund gehen und angemessen reagieren, können sie eine Vertrauensbasis schaffen und ihr Kind darin unterstützen, ehrlich und selbstbewusst zu handeln.

Warum lügen Kinder?

Kinder lügen aus einer Vielzahl von Gründen. Je nach Alter, Entwicklungsstand und sozialem Umfeld können die Beweggründe stark variieren. Es ist wichtig, diese Ursachen zu verstehen, um das Verhalten besser einordnen und darauf reagieren zu können.

Fantasie und Kreativität

Bei jüngeren Kindern, insbesondere im Vorschulalter, sind Lügen häufig Ausdruck ihrer lebhaften Vorstellungskraft. Sie erzählen von Fantasiewelten, erfinden unsichtbare Freunde oder behaupten, ein Abenteuer erlebt zu haben, das in Wirklichkeit nicht stattgefunden hat.

In diesem Alter ist das noch keine bewusste Täuschung. Kinder können Realität und Fantasie oft nicht klar voneinander trennen. Es ist wichtig, diese Art des „Lügens“ nicht zu bestrafen, sondern sie als Teil der Entwicklung zu sehen. Eltern können solche Geschichten nutzen, um die Kreativität des Kindes zu fördern und gleichzeitig sanft die Realität zu erklären.

Vermeidung von Konsequenzen

Im Grundschulalter erkennen Kinder zunehmend, dass Lügen eine Möglichkeit sein kann, Ärger zu vermeiden. Sie behaupten beispielsweise, die Hausaufgaben erledigt zu haben, obwohl das nicht der Fall ist, oder sie leugnen, etwas kaputt gemacht zu haben.
Hier liegt der Fokus darauf, negative Konsequenzen abzuwenden. Diese Art des Lügens ist eine Strategie, um sich vor Strafen oder Vorwürfen zu schützen, und oft von der Angst vor den Reaktionen der Eltern motiviert.

Bedürfnis nach Aufmerksamkeit

Kinder lügen manchmal, um Aufmerksamkeit zu bekommen – insbesondere, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Bedürfnisse nicht ausreichend wahrgenommen werden. Ein Kind könnte beispielsweise eine spannende, aber erfundene Geschichte erzählen, um im Mittelpunkt zu stehen.
In solchen Fällen ist das Lügen ein Hinweis darauf, dass das Kind mehr Zuwendung und Anerkennung benötigt.

Soziale Anpassung und Druck

Im Schulalter und in der Jugend können Lügen auch aus sozialem Druck entstehen. Ein Kind könnte lügen, um sich in eine Gruppe einzufügen oder den Erwartungen von Freunden gerecht zu werden. Es könnte zum Beispiel vorgeben, ein bestimmtes Spielzeug zu besitzen, das gerade „in“ ist, um nicht ausgeschlossen zu werden.
In solchen Fällen dient das Lügen dem Selbstschutz oder dem Wunsch, dazuzugehören.

Nachahmung von Vorbildern

Kinder beobachten genau, wie Erwachsene in ihrem Umfeld sich verhalten. Wenn Eltern oder Bezugspersonen kleine Notlügen verwenden, beispielsweise „Sag, ich bin nicht da“, um einen unangenehmen Anruf zu vermeiden, lernen Kinder, dass Lügen eine akzeptable Strategie sein kann.
Diese Nachahmung ist ein natürlicher Lernprozess, der verdeutlicht, wie wichtig eine ehrliche Vorbildfunktion der Eltern ist.

Schutz der Privatsphäre oder innerer Konflikte

Jugendliche neigen oft dazu, die Wahrheit zu verschleiern, um ihre Privatsphäre zu schützen oder sich Freiräume zu schaffen. Sie könnten beispielsweise lügen, wo sie waren, oder was sie getan haben, weil sie nicht möchten, dass die Eltern alles über ihr Leben wissen.
Hier geht es weniger um Täuschung als um den Wunsch nach Autonomie.

Wie sollten Eltern reagieren?

Der Umgang mit Lügen erfordert Fingerspitzengefühl. Strafen oder Vorwürfe können das Vertrauensverhältnis belasten und das Problem verschärfen. Stattdessen sollten Eltern sich bemühen, die Gründe hinter dem Verhalten zu verstehen und eine offene Kommunikation zu fördern.

1. Ruhe bewahren
Wenn ein Kind lügt, ist es wichtig, nicht überzureagieren. Vorwürfe oder harsche Strafen können dazu führen, dass das Kind noch häufiger lügt, um Konflikten aus dem Weg zu gehen. Versuchen Sie, ruhig und sachlich zu bleiben, und suchen Sie das Gespräch.

2. Hinter die Fassade blicken
Stellen Sie sich die Frage, warum Ihr Kind lügt. Gibt es Ängste, die es zu vermeiden versucht? Möchte es Aufmerksamkeit? Oder handelt es sich um eine harmlose Fantasiegeschichte? Wenn Eltern die Ursachen verstehen, können sie gezielt darauf eingehen.

3. Offene Kommunikation fördern
Schaffen Sie eine Atmosphäre, in der das Kind sich sicher fühlt, die Wahrheit zu sagen. Signalisieren Sie, dass es in Ordnung ist, Fehler zu machen, und dass Ehrlichkeit geschätzt wird. Eine mögliche Formulierung könnte sein:
„Es ist nicht schlimm, wenn du einen Fehler gemacht hast. Aber es ist wichtig, dass du mir die Wahrheit sagst, damit wir eine Lösung finden können.“

4. Ehrlichkeit vorleben
Kinder orientieren sich stark an ihren Vorbildern. Wenn Eltern selbst ehrlich sind, vermitteln sie ihrem Kind, dass Ehrlichkeit wichtig ist. Verzichten Sie auf Notlügen und sprechen Sie offen über Ihre eigenen Herausforderungen oder Fehler.

5. Konsequenzen erklären statt bestrafen
Wenn Lügen negative Konsequenzen haben, sollte das Kind verstehen, warum das so ist. Anstatt Strafen auszusprechen, können Eltern erklären, wie Lügen das Vertrauen schädigen. Zeigen Sie dem Kind, dass Ehrlichkeit immer die bessere Wahl ist.

6. Alternative Lösungen anbieten
Bringen Sie Ihrem Kind bei, wie es unangenehme Situationen ehrlich lösen kann. Üben Sie gemeinsam, wie es offen über Fehler sprechen kann, ohne Angst vor übermäßigen Konsequenzen haben zu müssen.

Wann ist professionelle Hilfe nötig?

Gelegentliches Lügen ist bei Kindern völlig normal und ein Teil ihrer Entwicklung. Wenn das Lügen jedoch sehr häufig vorkommt, tiefgreifende Beziehungen belastet oder mit anderen Verhaltensproblemen einhergeht, könnte dies auf tieferliegende Schwierigkeiten hinweisen.
In solchen Fällen ist es ratsam, Unterstützung von einem Psychologen oder Familientherapeuten zu suchen. Diese Experten können helfen, die zugrunde liegenden Probleme zu erkennen und gemeinsam mit der Familie Lösungen zu entwickeln.

Fazit

Lügen ist ein vielschichtiges Thema, das von Entwicklungsphasen, Ängsten und Bedürfnissen des Kindes beeinflusst wird. Für Eltern ist es entscheidend, nicht vorschnell zu urteilen, sondern die Hintergründe zu verstehen und angemessen zu reagieren. Mit Geduld, Einfühlungsvermögen und einer offenen Kommunikation können sie ihrem Kind helfen, Vertrauen aufzubauen und ehrliche Verhaltensweisen zu entwickeln.
Indem Eltern selbst als Vorbilder fungieren und dem Kind eine sichere Umgebung bieten, schaffen sie die Grundlage für eine gesunde und ehrliche Beziehung, die das gesamte Familienleben stärkt.

Johanna-Meckl
Johanna Meckl
Physiotherapeutin B. Sc. ,
Pilates - Trainerin, Yogalehrerin
und Gesundheitsberaterin