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7 | Kontinent der Konflikte

7.3 Trennungsangst

Lesezeit: ca. 12 Minuten
Überblick
„Mama, Papa, bleibt bitte da!“

Ab einem gewissen Alter fühlen sich Kinder mit dem Gefühl konfrontiert, dass eine Trennung von den Eltern ein ganz schönes emotionales Chaos auslösen kann. Was viele Kinder noch nicht verstehen, ist, dass eine Trennung von den Eltern zeitlich begrenzt ist und die Eltern, auch wenn sie nicht mehr zu sehen sind, wiederkommen. Die Gewissheit und Sicherheit, die Kinder brauchen, um zu erkennen, dass nach jeder Trennung ein Wiedersehen folgt, ist für sie eine Schlüsselerfahrung.

In ihrer geistigen und emotionalen Entwicklungsreise lernen sie, eine Bindung zu ihren Eltern aufzubauen. Diese Bindung dient als sicherer Hafen in unbekannten Gegenden. Wenn dieser Hafen aus dem Blickfeld gerät, befinden sich Kinder gefühlsmäßig auf einem offenen Meer. Ein solches Verhalten ist in den meisten Fällen normaler Bestandteil kindlicher Entwicklung und zeugt von der intensiven Eltern-Kind-Bindung. Der Angst, die Kinder dabei empfinden, sollte dennoch respektvoll und mit dem nötigen Feingefühl entgegengetreten werden. Erst dann, wenn Ängste bestehen bleiben und ein Maß an Sorge und Unsicherheitsgefühlen überschritten wird, ist Rat gefragt.

Was ist Trennungsangst?

Trennungsangst heißt, dass das eigene Kind unruhig wird, von Ängsten und Ablöseproblemen begleitet ist und weint, wenn ein Elternteil das Kind verlässt. Je nach Kind, Temperament und bisherigen Bindungserfahrungen wird diese Phase unterschiedlich stark ausgelebt und kann von einer kurzen oder längeren Schreiphase begleitet sein. Oft treibt Kinder dann, wenn der Eintritt in den Kindergarten ansteht, die Angst, dass die Eltern nicht mehr verfügbar sind. Neue Umgebungen sind dann für Kinder begleitet von Unsicherheit und Gefahr, vor allem auch von der Angst, alleine zu sein.

Alter und Entwicklungsverlauf
Die Angst, sich von seiner Bezugsperson zu trennen, ist zwischen dem 6.–18. Lebensmonat am größten, kann aber stark variieren. Auch bis zum Alter von 5 Jahren kann die Angst vor der Trennung von den Eltern die kindliche Welt begleiten und weiterhin für sie bedeutsam sein. Für Kleinkinder ist der Eintritt in den Kindergarten eine Trennungssituation, die häufig von einer Stressreaktion begleitet ist. Aus der Sicht des Kindes sind die ersten Lebensjahre die Grundlage für die weitere emotionale Entwicklung, in der sie stark auf die psychische wie auch physische Bedürfnisbefriedigung durch die Eltern angewiesen sind. Deshalb wird das Erlebnis einer Trennung einer emotionalen Reise gleichen. Nicht immer ist es dabei richtig, mit aller Entschlossenheit sein Kind zu einer Trennung zu bringen, manche Kinder brauchen einfach noch ihre Zeit. Das heißt, dass man durchaus darauf achten sollte, sein Kind emotional bei Eintritten in Kindergärten oder, falls notwendig, bei Betreuungspersonen zu begleiten und vorzubereiten.

Wenn die Eltern nicht da sind

Solange die Eltern in der Nähe sind, ist alles in Ordnung. Die Erkundung findet statt (wie wir sie im Kontinent der Bedürfnisse, Land der Bindung und Neugierde finden), und das Gefühl der Sicherheit lässt Kinder die meiste Zeit in der fremden Umgebung ihre Ängste und Unsicherheiten kontrollieren. Das liegt daran, dass Kinder über die Nähe zu den Eltern verfügen. Kinder halten oft aus Gründen der Sicherheit Augenkontakt zu ihren Eltern, was auch heißt, dass sie sehr aufmerksam dabei sind zu erkennen, wenn eines der Elternteile den Raum verlässt. Weint ein Kind dann, ist dies ein Zeichen der Bindung, was allgemein als positiv gesehen werden kann. Je jünger Kinder sind, desto eher fehlt ihnen die Gewissheit, dass, auch wenn Mama und Papa nicht im Raum sind und gesehen werden, sie dennoch „existieren“.

Was ist Objektpermanenz?
Im Alter von ungefähr 24 Monaten beginnt ein wichtiger kognitiver Entwicklungsschritt (dieser jedoch ebenfalls bei Säuglingen in den ersten Schritten zu beobachten). Wie bereits erwähnt haben Kinder keine Möglichkeit einzustufen, dass, wenn die Eltern weggehen, sie auch wiederkommen. Objektpermanenz ist die Fähigkeit zu wissen, dass Dinge (z. B. die Eltern) auch dann noch existieren, wenn sie nicht sichtbar oder hörbar sind – eine wichtige Schlüsselerfahrung. Wenn Kinder also lernen, mit dieser Gewissheit zu leben, was nicht vom ersten Tag an gegeben ist, werden sie besser mit Trennungen zurechtkommen – doch nur, wenn sie Vertrauen haben, dass ihre Eltern tatsächlich wiederkommen werden. Das heißt, Eltern müssen vorsichtig mit dieser Sorge umgehen. Für das Kind ist dies keinesfalls ein kleiner Stressfaktor, der schnell vergessen wird. Es ist eine emotionale Ausnahmesituation, bei der sich jedes Kind einzigartig verhält. Wichtig ist, die Sache langsam angehen zu lassen, wir schauen uns an, wie.

Die Entscheidung
Ist es beschlossene Sache für die Eltern, heißt das leider noch nicht, dass es beschlossene Sache für das Kind ist. Wir möchten noch einmal erwähnen, dass Trennungsängste auch bereits vor der Kindergartenzeit bestehen können und das Kind auch dort feinfühlige Antworten auf das Bedürfnis sucht, in der Nähe seiner Bezugspersonen zu sein. Dennoch ist es langfristig notwendig, dass Kinder lernen, mit Stress umzugehen und ein Gefühl für die Abwesenheit der Eltern zu bekommen. Das heißt nicht, dass Kinder damit konfrontiert, sondern emotional begleitet werden sollen. Das Gefühl, alleine gelassen zu werden, ist für Kinder mit körperlichem Schmerz vergleichbar. Wenn das Kind sich jedoch langsam an neue Gegebenheiten anpassen darf, seine Bindung aufrechterhält, dadurch, dass es gemächlich und individuell an neue Lebensumstände herangetragen wird, erschließt es sich ein Sicherheitsgefühl, das ihm sagt:

„Wenn Mama und Papa nicht mehr da sind, weiß ich, dass sie wiederkommen. Hier ist es auch schön und ich hab meine Bezugspersonen gefunden, denen ich vertraue.“

Birgit-Heck-Schatten
Expertentipp
Birgit Heck-Schatten

Psychologische Beraterin, Heilpraktikerin für Psychotherapie

Wann gebe ich mein Kind in eine Kita?
Was erwarte ich von einer Kita?

Hier kann ich nur von meinen eigenen Beobachtungen berichten, aus denen sich meine Meinung gebildet hat:

  1. Von der Reife und der Aufgeschlossenheit des Kindes abhängig machen.
  2. Kontakte zu anderen Kindern gleichen Alters schon vorher knüpfen, gemeinsam mit den Müttern
  3. Darauf langsam vorbereiten: Am Kiga vorbeigehen, vielleicht auch einmal kurz in die Einrichtung schauen und sie schmackhaft machen.
  4. Phasenweiser Einstieg. Auf die Ansagen der Erzieherinnen vertrauen.
  5. Je kleiner das Kind ist, umso kürzer (in Stunden) sollte der Aufenthalt in der Kita sein.
  6. Eher erst ab 3 Jahren: Wenn das Kind aber stabil ist und auch Kontakt zu mehreren Kindern gewohnt ist, dann ist das durchaus schon eher denkbar.
  7. Sich nicht scheuen, das Kind noch einmal aus der Kita zu nehmen, wenn das Gefühl da ist, dass es sich nicht wohl fühlt. Aber immer in Absprache mit den Erzieherinnen, die die nötige Erfahrung haben.
  8. Wie gut ist die Bindung zu den Eltern und den Personen im familiären Umfeld?
    Ängstliche Kinder müssen erst mehr Selbstvertrauen entwickeln.
  9. Immer im Dialog mit dem Kind und den Erziehern bleiben.
  10. Nach der Kita sollte es einen strukturierten Ablauf geben und man sollte viel Freiraum für das Spiel zu Hause gewähren.
    Auf keinen Fall sollte man einen Freizeit-Aktionismus betreiben. In einem geborgenen Umfeld, das auch alle Grundbedürfnisse abdeckt, wird die Basis für das gesamte Leben gelegt. Im Spiel mit anderen und auch immer wieder alleine erlernt das Kind alle Kompetenzen, die es braucht, um später, in der Schule und auch beim Erlernen spezieller Fähigkeiten, erfolgreich sein zu können.

Eine gute Kita sollte nach meiner Meinung:

  1. Den Kindern einen klar strukturierten Tagesablauf bieten.
  2. Viel Freiraum zum gemeinsamen Spielen gewähren.
  3. Das Angebot auf die Bedürfnisse der Kinder abstimmen.
  4. Keinen Angebotsaktionismus betreiben
  5. Erzieherinnen sollten hinter ihrem Konzept stehen und dies verständlich vermitteln, sie sollten nicht allen alles recht machen wollen.
  6. Sie sollten immer gesprächsbereit sein.
  7. Es sollte nur wenige Aktionen außerhalb der Kindergartenzeiten, um nicht im Organisationsstress unterzugehen und zu wenig Zeit für die Arbeit mit den Kindern zu haben.
  8. Die verschiedenen Neigungen der Kinder aufgreifen. Nicht jedes Kind muss Alles machen.
  9. Ängstliche Kinder motivieren, laute Kinder etwas dämpfen
  10. Mit verschiedenen Fördereinrichtungen zusammenarbeiten.

Zum Abschluss sei gesagt, wenn sich Eltern und Kind in der Einrichtung wohlfühlen, die Atmosphäre „hell“ und freundlich ist, kann einer positiven und gewinnbringenden Zeit kaum etwas im Wege stehen.

Der Kindergarten

Wie geht man damit um, wenn der erste Kindergartentag vor der Türe steht und das eigene Kind sich noch händeringend sträubt?  Wie bereitet man ein Kind darauf vor, bald ein Kindergartenkind zu sein, unter so vielen neuen Gesichtern? Und wie schaffen es Eltern, ihr Kind in Sicherheit zu wissen?

Nutzen Sie verschiedene Möglichkeiten, die nicht auf jeder Liste ganz oben stehen. Seien Sie spontan und gehen Sie mit Ihrem Kind, nach Absprache mit dem verfügbaren Kindergarten, für ein paar Stunden zum Spielen vorbei – einige Einrichtungen ermöglichen dies. Auch Schnuppernachmittage werden in vielen Kindergärten angeboten. Wenn nicht, fragen Sie einfach, ob das Kind schon mal zum Spielen kommen kann. Dies ist eine Möglichkeit, in einer verfügbaren Nähe zu bleiben, vielleicht sogar stets in Blickweite, sodass die Umgebung langsam vom Kind als sicher eingestuft werden kann. Verschiedene Räume, unterschiedliche Gesichter und andere Erwachsene – dass dies mal mehr, mal weniger Zeit braucht, um sich daran zu gewöhnen, ist für viele Kinder ganz normal.

Großeltern, Babysitter und Spielgefährten

Viele Kinder haben bereits Erfahrungen mit den ersten Stunden Alleinsein gemacht, beispielsweise bei den Großeltern oder einem Babysitter, der Mama und Papa zumindest ab einer gewissen Altersreife einen freien Abend schenkt. Manche Kinder waren auch bereits in Spielgruppen, was die Erfahrung natürlich bei solchen Situationen mitbringt. Falls nicht, können Eltern diese Empfehlung ausprobieren. Das Üben mit fremden Menschen in Begleitung der Eltern lässt Bindung und Neugierde, sprich Nähebedürfnis, und Wunsch nach Entdeckungen miteinander harmonieren. So lernen Kinder die ersten Schritte in Gruppen und können Vertrauen aufbauen, dass Mama und Papa, auch wenn man sich kurz wegdreht, immer noch da sind.

Eingewöhnung

Die Eingewöhnungsphase wird meist über mehrere Wochen stattfinden. Bei der Unterschiedlichkeit eines jeden Kindes trifft man auch auf solche, die sich bereits nach mehreren Tagen sicher und wohl in der neuen Umgebung fühlen, dies ist ein Stück Bindungs- und Charaktersache. Meist wird die Eingewöhnungsphase in vier Wochen vonstattengehen, sodass kein abrupter Übergang stattfindet. Findet eine Eingewöhnung ohne die Übergangsphase statt, zeigte eine Studie (Ahnert 2004), dass die Bindungsqualität kippte. Nahmen sich Mutter und Kind jedoch Zeit, blieb die Bindung erhalten, verbesserte sich manchmal sogar. Kinder brauchen ihre Eltern, um ihr Wohlbefinden zu regulieren.

Elternbegleitete Kennenlernphase:

Eltern sind anwesend und begleiten ihr Kind, sodass es die Umgebung (bspw. Kita oder Tagespflege) und die darin anzutreffenden Personen kennenlernen kann. Für Kinder ist der Übergang mit der Herausforderung verbunden, die neuen Gesichter kennenzulernen, sie als Sicherheitsbasis zu erleben und mit ihnen vertraut zu werden. Das Vertrauen, das hierbei aufgebaut wird, dient dem Kind dann als Anker in unbekannten Situationen und hilft bei der Regulierung von Stressreaktionen. Allein die Anwesenheit einer fremden Person reicht nicht aus. Kinder müssen eine Beziehung zur Fachkraft aufbauen, um das Vertrauen ineinander zu stärken. Kinder, die noch keine gut verlaufenen Trennungserfahrungen machen konnten, sowie zurückhaltende und schüchterne Kinder brauchen meist eine längere Eingewöhnung. Oft hilft es, sich dabei auf eine Person näher einzustellen anstatt alle gleichzeitig vorzustellen. Es ist hilfreich, am Anfang eine Bezugsperson zu haben, die auch einen „spielerischen“ Kontakt mit dem Kind eingehen kann.

Sicherheitsphase – die Fachkraft kennenlernen

Ist die Kennenlernphase abgeschlossen, beginnt der notwendige Aufbau von Sicherheit. Das Kind hat meist noch ein zurückhaltendes Unsicherheitsgefühl, auch wenn es dies manchmal nicht vollständig zeigt. Wie Kinder Sicherheit zu einer neuen Bezugsperson aufbauen, liegt immer im individuellen Charakter versteckt. Manchmal ist es ein kleiner Dialog, wenn das Kind beispielsweise sein Lieblingsspielzeug mitbringen darf und dieses dann auch gleich vorstellen kann. Auch über das Spiel oder das kindliche Interesse (Ball, Puppe, Autos, Bausteine, Lego etc.) kann ein Sicherheitsgefühl aufgebaut werden, wenn man sich gemeinsam spielerisch einer Sache widmet und das Kind bemerkt, dass alles wunderbar vonstattengeht.

„Dieser Person kann ich vertrauen“
Wichtig ist, eine wertschätzende Atmosphäre zu schaffen und dafür zu sorgen, dass das Kind sich in Ruhe und in seiner eigenen Geschwindigkeit, wenn es bereit ist, auf die neue Bezugsperson einstellen kann.

Vertrauensphase – gemeinsam Vertrauen aufbauen

Vertrauen aufzubauen ist ein längerer Prozess und die Fachkraft, die das Kind entgegennimmt, ist nun an der Aufgabe beteiligt, eine vertrauensvolle Beziehung zum Kind herzustellen. Auch andere Personen können Bezugspersonen für das Kind werden, bei denen es sich wohl, sicher und vertrauensvoll behandelt fühlt. Wichtig ist, dass das Kind lernt, sich bei Schmerz oder Trauer von der Fachkraft trösten und versorgen zu lassen. Dies ist das deutlichste Zeichen einer gelungenen Eingewöhnung.
Wendet sich das Kind bei Abwesenheit an seine neue Bezugsperson, kann es dort Sicherheit tanken und seine Überforderung lösen, falls vorhanden. Das Kind ist dann Teil der Gemeinschaft und somit emotional auf dem besten Wege in die Gemeinschaft.

Abschiede bewusst gestalten
Kurze Abschiede, von Ihnen ausprobiert: Das Elternteil entfernt sich kurz und kommt gleich wieder. Zu jedem Abschied gehört eine Wiederkehr, das soll das Kind lernen. Doch jedem Wunsch stehen Hindernisse im Weg, so vermischt sich der Beziehungswunsch bei einigen Kindern mit der Angst vor dem Fremden oder Unbekannten und sie beginnen zu „klammern“. Hier wollen wir verstehen, weshalb dies so ist, und gehen dabei auch auf die Unterschiede verschiedener Bezugspersonen ein.

Auch manche Kinder, die schon länger in den Kindergarten gehen, können sich morgens manchmal nur schwer trennen, wobei etwa ein Streit mit anderen Kindern am Vortag daran schuld sein kann. Dann ist es notwendig, einfühlsam nachzufragen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, denn, wenn Kinder spüren, dass Eltern sie und ihre Probleme ernst nehmen, dann sind sie eher zu beruhigen, während eine zu emotionale oder gar ärgerliche Reaktion der Eltern das Problem nur verstärkt. Ob sich hinter der Unlust ein größeres Problem verbirgt, merken Eltern oft am Verhalten ihres Kindes, denn die meisten Eltern haben ein recht gutes Gefühl dafür, ob etwas nicht stimmt oder das Kind heute schlicht keine Lust hat, in den Kindergarten zu gehen. Wirkt das Kind über längere Zeit bedrückt, zieht sich zurück, ist unbeteiligt oder aggressiv, sollten Eltern und Erzieher aufmerksam sein. Haben die Eltern den Eindruck, dass gravierende Probleme im Kindergarten wie übergriffiges Verhalten von anderen Kindern dahinterstecken, dann sollte man unbedingt mit der Betreuerin über die eigenen Befürchtungen sprechen. Manchmal sind es auch Veränderungen zu Hause, die ein Kind belasten und die Trennung schwer machen, etwa ein Streit zwischen den Eltern, ein Umzug oder die Geburt eines Geschwisterkindes. Auch in diesen Fällen sollten die Eltern gemeinsam mit dem Kind überlegen, wie man die Situation erklären und lösen kann, etwa indem man eine Betreuungsperson einbindet.

Wie lange sein Kind aus der Hand geben?
Wie lange brauchen die Kinder nun üblicherweise, um sich an den Kindergarten zu gewöhnen? Dies ist großenteils eine Charakterfrage: Einige treten neuen Dingen und Veränderungen sehr aufgeschlossen und neugierig gegenüber. Andere sind eher von schüchternem Naturell und deshalb eher zurückhaltend und ängstlich. Bei diesen Kindern dauert es natürlich etwas länger, ehe sie sich akklimatisiert haben. Einrichtungen mit vielen Erziehern, also einem guten Betreuerschlüssel, können auf neue Kinder gut eingehen. Hier wird eine Erzieherin als besondere Bezugsperson das Kind in Empfang nehmen und sich verstärkt kümmern.

Die Zeit kann auch zu früh sein
Mama nähert sich dem Kindergarten, Max sieht das Haus und blockiert, er schreit und heult – will einfach nicht in die Einrichtung. Eltern sollten kein Kind zwingen, im Kindergarten zu bleiben. Doch nur bei den wenigsten Kindern wird es keine Tränen geben. Ob nun ein kurzer oder ein langer Abschied besser funktioniert, muss wohl jedes Elternteil selbst herausfinden. Manche Kinder können mit einem knappen, eindeutigen Wechsel besser zurechtkommen, andere brauchen ein längeres Abschiednehmen – manchmal ist der Schreck schnell überwunden, andere trauen sich nicht zu weinen und unterdrücken ihre Gefühle eher. Sollten Sie bemerken, dass Ihr Kind auch nach längerer Zeit nicht gern in den Kindergarten geht, sich bei Gesprächen mit den Erziehern herausstellt, dass es auch tagsüber keine Freude zeigt, ist es eventuell doch noch zu früh. Überlegen Sie dann gemeinsam, wie man den Kindergartenbesuch für das Kind erträglicher gestalten kann oder ob es generell eventuell zu früh dafür ist.

Auch für viele Eltern ist dies eine neue Erfahrung
Auch die Eltern sind herausgefordert, sich auf die Fachkräfte als Ansprechpartner und Vertrauenspersonen und die zusätzliche Betreuung ihres Kindes in der Kita einzulassen. Für die Fachkraft sind die Eltern wichtige Partner und Informanten, nicht nur in der Phase der Eingewöhnung. Ziel eines regelmäßigen Austauschs zwischen Fachkraft und Eltern ist es, das Kind beim Übergang in die Kita sowie bei seinen täglichen Herausforderungen gemeinsam und gemäß seiner aktuellen Entwicklungsphase zu unterstützen. Für die Eltern ist es wichtig zu erfahren, dass ihr Kind in der Kita gut aufgehoben ist. Der Einbezug der Eltern in die Eingewöhnung trägt, neben regelmäßigen Gesprächen mit den Fachkräften, maßgeblich dazu bei.
Nicht übersehen werden darf, dass die Eltern nicht nur Unterstützer ihres Kindes sind, sondern dass sie selbst auch einen Übergang bewältigen müssen. Sie werden in Zukunft nicht nur Eltern in ihrer Familie sein, sondern auch Eltern eines Krippen- oder Kita-Kindes, d. h., sie müssen „Familienelternschaft“ und „Kita-Kind-Elternschaft“ in ihr Selbstbild integrieren. Das ist mit intensiven, meist gemischten Gefühlen verbunden. Zur Freude über die Entwicklungsschritte Ihres Kindes kommen eventuell Schuldgefühle oder Zweifel. Ähnlich wie Ihr Kind müssen Sie vertrauensvolle Beziehungen zu den Fachkräften aufbauen und Mitglied der Elterngruppe werden – auch Sie müssen ein Gefühl der Zugehörigkeit entwickeln.

fazit

Jedes Kind erlebt diesen Übergang von der Familie in die Kindertageseinrichtung anders. Sein Verhalten ist von den bisherigen Beziehungs- und Trennungserfahrungen geprägt und kann sehr unterschiedlich ausfallen. Hier spielen auch Temperamentsunterschiede eine Rolle: Während sich manche Kinder mit Veränderungen leichter tun und sich neuen Situationen bereitwilliger stellen, brauchen etwa leicht irritierbare Kinder mehr Unterstützung bei der Übergangsbewältigung. Dieser Prozess der Eingewöhnung erfordert Zeit, Geduld und einen regelmäßigen Austausch zwischen Eltern und pädagogischer Bezugsperson, um den jeweiligen Bedürfnissen des Kindes möglichst gerecht werden zu können. Aufgabe der Fachkraft ist es, Unterschiede zwischen den Kindern zu erkennen und zu akzeptieren und jedem Kind Mitgestaltungsmöglichkeiten zu eröffnen, z. B. indem das Kind den Zeitpunkt bestimmt, wann es Interaktionsangebote der Bezugserzieherin annimmt.

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Birgit Heck-Schatten
Psychologische Beraterin,
Heilpraktikerin für
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