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9 | Kontinent der ErnährungRatgeber

9.2 Grundsätze für die Ernährung

Lesezeit: ca. 15 Minuten
Überblick
Zwischen Essen und Ernährung können Welten liegen

Süßigkeiten und zuckerhaltige Lebensmittel im Allgemeinen locken Kinder mit ihrem kinderfreundlichen Aussehen und ihrem zuckerüberzogenen Geschmack, sind aber alles andere als kinderfreundlich. Im Land der Ernährungspsychologie lernen wir, dass die Vorliebe zum Süßen ein angeborener Mechanismus ist. Bevor wir uns mit den tatsächlichen Nährwerten auseinandersetzen, gibt es einige wichtige Besonderheiten, die vor jeder grundsätzlich gesunden Ernährung in Bezug auf Kinder stehen. Die (gesunden) Lebensmittel an sich kommen meist an zweiter Stelle, vordergründig stehen Punkte wie Vorbildfunktion, Schmackhaftigkeit und das Wort gesund. Diese Erkenntnisreise gehen wir gemeinsam.

Ernährung und ihre Folgen

Eltern versuchen häufig zu erklären, dass der Verzehr dieser Lebensmittel im Übermaß „ungesund“ ist, was beim Kind jedoch nur zum Teil Gehör erweckt. Folgen, die in der Zukunft eintreten, also nicht direkt spürbar und sichtbar sind, werden für Kinder kaum relevante Folgen sein können. Sie haben diesen Blick für die Zukunft in den allermeisten Fällen nicht. Zumindest kann man ein solches Verständnis nicht von seinem Kind erwarten – man selbst muss dieses Verständnis vorleben.

Belohnungsaufschub (Verzicht auf Süßigkeiten) = positive Konsequenz (kein Übergewicht)

Belohnungsaufschub ist eine zentrale Fähigkeit, die jedoch nicht jedem Menschen und nicht jedem Kind in der gleichen Ausprägung innewohnt. Belohnungsaufschub kann bedeuten, im Jetzt auf etwas zu verzichten, um es später besser zu genießen, oder auf etwas zu verzichten, um später davon zu profitieren. Manchen Kindern fällt es leichter, anderen wiederum schwerer. Doch grundsätzlich bestimmen Eltern das Angebot im Haus und demnach auch, wie viele Süßigkeiten vorrätig sind. Wenn es keine Süßigkeiten im Haus gibt, Eltern lieber Obst und Gemüse als Snack zu Hause haben, werden auch Kinder eher darauf zurückgreifen. Vermeintlich ungesundes Essen ist nicht per se tabu. Süßigkeiten müssen nicht generell verboten werden, obwohl sie aufgrund eines Übermaßes an Zucker tatsächlich keine optimalen Genussmittel sind. Das Einzige, was letzten Endes nach Verzehr süßer Lebensmittel bleibt, ist ein angenehmes Geschmackserlebnis, eine direkte positive Konsequenz. Der Grund, warum Kinder lieber zu Pommes, Pizza und Süßem greifen, liegt mitunter dahinter verborgen: Die Schmackhaftigkeit ist höher (Zusatzstoffe, Salz, Zucker, Glutamat, Gewürze) und zuckerhaltige Lebensmittel bieten einen sofortigen Genuss im Jetzt. Dass die Paprika nicht einer solchen industriell hergestellten Schmackhaftigkeit nachkommen kann, ist für viele Menschen Grund genug, sich lieber dem industriell hergestellten Geschmackserlebnis hinzugeben. Doch Genuss ist gar kein Problem, sondern ein sehr wichtiger Teil des Ernährungsverhaltens und der Bezug zur Nahrung. Es darf genussvoll sein, mal gesund, mal weniger. Auch in der Erziehung sollte es keine Verbote oder Belohnungen innerhalb der Ernährung geben. Dies führt meist nur zu tieferen Problemen und zur Verknappung (sprich dem Verbot eines Lebensmittels) und macht es gleich doppelt attraktiv, wenn die Eltern mal nicht hinschauen. Wenn Eltern nun beginnen, mit den Wörtern ‚gesund‘ und ‚ungesund‘ zu hantieren, bemerken Kinder schnell, dass das, was vermeintlich gesund sein soll, lange nicht die gleiche Schmackhaftigkeit besitzt wie das vermeintlich Ungesunde. Kinder bemerken schnell:

„Und wenn ich ungesunde Dinge esse, geht es mir auch nicht zwingend schlechter, meine Zähne faulen auch nicht direkt ab. Es scheint so, als würden Mama und Papa einfach übertreiben.“

Ernährung und Gesundheit

Das stark verzögernde Eintreten gesundheitlicher Mängel ist ein generelles Problem des menschlichen Körpers. Dieser trägt uns lange Zeit durch unsere guten und weniger guten Gewohnheiten. Doch auf Dauer zeigen sich die meisten über lange Zeit antrainierten falschen Ernährungsweisen oder mangelnden Bewegungsmöglichkeiten an verschiedenen Stellen am und im Körper. Süßigkeiten müssen nicht verboten werden. Sie müssen geregelt sein, nicht von den Kindern, sondern von den Eltern – so gut es ihnen gelingt. Denn spätestens zur Schulzeit geben Eltern ein Stück der Verantwortung in die Hände ihrer Kinder. Der andere Teil liegt in der Schule selbst. Auf den Grundpfeilern einer gesunden Ernährung stützen sich die Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Jedoch sollte bei der Ernährung stets beachtet werden, dass sie ein Grundbedürfnis ist und nicht als ständige Lehrzeit angesehen werden muss. Essen darf Spaß machen und genussvoll sein. Angst und Druck dürfen keine Begleiter bei der Ernährung sein und wie in jedem Lebensfeld gehört es dazu, sich langsam zu orientieren, Fehler zu machen und sich auch einmal an den genussvollen und vielleicht nicht ganz so gesunden Lebensmitteln versuchen zu dürfen. Wenn sich Eltern an den Ernährungsgrundsätzen orientieren, besteht die Möglichkeit, dass sich auch Kinder an diese Grundsätze gewöhnen – ein großer Teil dieser Erkenntnisreise.

Nährstoffe:
Unser Essen bietet dem Körper die nötigen Ressourcen, um all seine ineinandergreifenden Funktionen am Laufen zu halten. Das Gehirn, unsere Steuerzentrale, benötigt vor allem in der Wachstumsphase der Kindheit seinen nötigen Treibstoff. Da Kinder noch einen kleinen Magen und einen großen Energieverbrauch haben, unterscheidet sich ihr Essverhalten häufig von dem der Eltern. Lebensmittel werden so zu Mitteln zum Leben und sollten nicht ausschließlich unter Kategorien wie Nährwert und Kalorientabellen betrachtet werden. Dennoch ist es wichtig, sich Ernährungswissen anzueignen, sodass man zumindest im Grunde versteht, welchen Treibstoff man seinem Körper und damit sich selbst zuführt.

praxisbeispiel
Essen als Nahrung
schema

Empfohlene tägliche Nahrungsmittelzufuhr

Ernährungserziehung

Gemeinsames Essen beginnt bei der Ruhe und dem Genuss. Eine ausgewogene und vielseitige Ernährung findet auch den Weg in die psychische Zufriedenheit. Heute wissen wir, dass das, was wir essen, auch unsere Stimmung beeinflussen kann. Kinder lernen bereits mit Ende des ersten Lebensjahres von ihren Eltern auch das Verhalten am Essenstisch. Dabei lernen sie einiges von ihren Eltern. Am Essenstisch sind immer wieder Geduld und Ruhe gefragt sowie die Bereitschaft dafür, dass die ganze Vielfalt unserer Lebensmittel nach und nach bekannt wird. Gemeinsames Essen sollte also nicht nur zum Sattwerden heranwachsen, sondern als wichtiger Teil der Familiengemeinschaft etabliert werden. Wenn alle Beteiligten bei dem Essen von TV oder Handy abgelenkt sind, wird auch ein Kind kein „Gefühl“ für seine Zutaten auf dem Teller bekommen. Am Essenstisch werden Einstellungen geprägt und miteinander kommuniziert. Dabei sollte jedoch stets darauf geachtet werden, dass der Essenstisch nicht zum Bereden von Problemen genutzt wird. Spielsachen und andere Ablenkungen sollten vom Essenstisch verschwinden, wenn die Mahlzeiten bereitstehen. Denn auch der Familientisch kann zur Strukturierung des Alltags dienen und schenkt Kindern ein gewisses Maß an Orientierung. Drei Hauptmahlzeiten und zwei kleinere Zwischenmahlzeiten bieten in den meisten Fällen eine grobe Orientierung für den Mahlzeitenrhythmus. Am besten sollte dabei eine warme Mahlzeit am Familientisch gemeinsam stattfinden. Dass sich Kinder dabei nicht immer in Gänze benehmen, ist oft normal. Kreativität und spielerischer Freiraum bedeuten nicht, mit dem Essen zu „spielen“, sondern sich den Umständen auch mal anzupassen. Ihr Kind wird sicher mehr Gefallen daran finden, wenn es das Gemüse einmal als Fingerfood probieren und die neuen Lebensmittel, die Sie „auftischen“, mit allen Sinnen erforschen darf.

Angelika-Baak
Expertentipp
Angelika Baak

Dipl.-Ernährungswissenschaftlerin | Zertifizierte Ernährungsberaterin

Grundsätze einer ‚gesunden Ernährung‘ sind für mich:

Alles ist erlaubt, auf die Mengen und das Verhältnis kommt es an. Das Verhältnis der Nährstoffe sollte ausgewogen, die Zubereitung unkompliziert und abwechslungsreich sein, man sollte vor allem frische und natürliche Zutaten verwenden und möglichst wenig Fertigprodukte. Genascht und gesnackt werden sollte selten, dafür aber mit Genuss und nicht nebenbei. Speziell bei Kindern finde ich das gemeinsame Zubereiten und Essen sehr wichtig. Gemeinsame Mahlzeiten sollten an einem atmosphärisch geeigneten Ort stattfinden und nicht vor dem Fernseher.

Kinder sollten viel (Mineral-)Wasser und ungesüßte Tees trinken, energiereiche/gesüßte Getränke wie z. B. Limonaden und Fruchtsäfte sollten Ausnahmen sein. Gesunde Zwischenmahlzeiten wie Gemüse und Obst als Alternative zu Süßigkeiten sind wichtig. Fastfood-Restaurants sollten, wenn überhaupt, maximal einmal pro Monat besucht werden. Großpackungen und XXL-Angebote sollten gemieden werden.

Einige wichtige informative Grundregeln in Bezug auf das Essen:

  • Viele Nachtmenschen können morgens nicht frühstücken. Auch unsere Schlaf- und Wachrhythmen können unser Essverhalten beeinflussen (im Kontinent der Kinder: Land Schlafverhalten Kinder). Kinder unterscheiden sich auch hier voneinander. Während Nachtmenschen (was auch Kinder sein können) eher kaum ein Frühstück runterbekommen, fühlt sich vielleicht der frühaufstehende Bruder beim Frühstück pudelwohl und hat großen Appetit – beides wäre vollkommen in Ordnung. Wenn Ihr Kind morgens keinen Hunger hat, sollten Sie es nicht zum Essen zwingen. Vielleicht finden Sie eine Kleinigkeit, die Ihr Kind in den ersten 30 Minuten mag? Besser ist es dann, ein Getränk anzubieten und abzuwarten. Bei Eulenmenschen kommt der Hunger von ganz alleine, nur eben nicht nach dem Aufstehen. Am besten ist es, Frühstück vorzubereiten. Individuelle Familienplanungen sind weitaus konfliktfreier als zu versuchen, „jeden gleichzubehandeln“. Der Rest ist eine Frage der Gewohnheit.

  • Zwischen den Mahlzeiten müssen keine Snacks oder zuckerhaltige Getränke angeboten werden.

  • Sie sollten keinen Druck beim Essen aufbauen (siehe Ernährungspsychologie).

  • Essen sollte nicht als Beruhigungsmittel für Kinder dienen. Dies kann zu negativen Folgeeffekten führen: „Immer wenn ich traurig bin, bekomme ich etwas Süßes.“ Solche erworbenen Ansichten bringen teilweise als negative Konsequenz eine Gewichtszunahme mit sich und stehen ebenfalls in engem Zusammenhang mit Essstörungen.

  • Strenge Verbote müssen nicht ausgesprochen werden, wenn das Angebot im Haus nicht voll mit Süßigkeiten ist. Werden in der Familie zu viele Verbote ausgesprochen, während die Süßigkeiten im Schrank liegen, führt dies meist zu einer gesteigerten Lust des Kindes.

Tipps für wählerische Esser:

  • Ist Ihr Kind ein wählerischer Esser, darf kein Zwang und Druck herrschen.

  • Kinder lehnen einige Speisen aus ganz natürlichen Gründen ab (siehe Land Ernährungspsychologie).

  • Es dauert einige Zeit (6–8 neue Versuche), bis Kinder eine abgelehnte Speise noch einmal versuchen.

  • Bereiten Sie das Gemüse oder Ähnliches abwechslungsreich zu, mal fein gerieben, mal gebraten, in Stücke geschnitten oder gekocht.

  • Versuchen Sie, kreativ zu sein: In der Gurke kann sich auch mal ein Gesicht verstecken. Jungen Kinder gefällt das und es erleichtert den Zugang zu bisher unbekannten oder abgelehnten Speisen.

  • Immer gelassen bleiben: Jeder isst unterschiedlich. Solange insgesamt eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung verfügbar ist, ist alles in Ordnung.

Angelika-Baak
Expertentipp
Angelika Baak

Dipl.-Ernährungswissenschaftlerin | Zertifizierte Ernährungsberaterin

Wie wichtig ist die Vorbildfunktion der Eltern für die Ernährungsgewohnheiten eines Kindes?

Sehr wichtig! Da schreibe ich direkt ein Zitat: „Wir brauchen unsere Kinder nicht erziehen, sie machen uns sowieso alles nach“ (Karl Valentin). Das Nachahmungslernen ist eine der wichtigsten Lernformen im Kindesalter. Ein gutes Vorbild sein ist auch bei der Ernährung und der Bewegung das Beste, was man machen kann, d. h. ‚Vormachen‘ und ‚Voressen‘. Die Vorbildwirkung der Eltern ist wesentlich und die Ernährungsgewohnheiten (und nicht nur diese Gewohnheiten) festigen sich bereits in den ersten Lebensjahren (vom Kleinkind bis ca. zum Ende des Grundschulalters). Sie haben entscheidenden Einfluss auf die geistige und körperliche Entwicklung eines Kindes sowie auf seine Gesundheit und sein Wohlbefinden. Eltern und auch  pädagogische Fachkräfte haben hier einen sehr wichtigen Einfluss.

Das Vorbild in der Ernährung

Entscheidend für die der Ernährung ist das Beobachtungslernen. Jedes Kind beobachtet akribisch die Eltern beim Essen. In den ersten Lebensjahren gleicht der Esstisch eher einem Versuchsraum. Mal funktioniert alles wunderbar, mal wird gekleckert und gemeckert. Eltern sollten immer im Hinterkopf behalten, dass auch die Geschmacksentwicklung ein Prozess ist und dass nicht jeder Geschmack sofort ein mit Genuss verbundenes Gefühl im Gehirn auslösen muss, solange er noch nicht „verinnerlicht“ wurde. Es liegt aber durchaus nahe, dass Kinder ähnliche Geschmackspräferenzen entwickeln werden wie ihre Eltern, wenn auch hin und wieder nicht bei jedem Lebensmittel.

Wenn Eltern versuchen, mit den Worten „gesund“ und „ungesund“ zu hantieren, ist Vorsicht geboten. Es darf nicht vergessen werden, dass Kinder sehr schnell lernen und verstehen werden, dass das, was Mama und Papa als „gesund“ betiteln, meist das ist, was sie ablehnen. Wenn ein Kind die Aubergine nicht essen will, dann sagen Mama oder Papa, dass die aber gesund ist und man sie essen „muss“. Demgegenüber wird die Pizza zwar toleriert, aber es fällt das Wort „ungesund“. Kinder wissen bereits in der Grundschule sehr genau, was gesund und ungesund ist, interessieren sich aber in den meisten Fällen nicht dafür. Trotz der Ermahnungen der Eltern an sind nach wie vor Lebensmittel wie Pizza oder Pommes bei Kindern besonders beliebt.

Das Lernen durch ein Vorbild ist entscheidend. Was Eltern sagen, ist wichtig, aber sie werden daran gemessen, was sie tun, nicht was sie sagen. Wenn ein Kind seine Eltern nie einen Apfel essen sieht, aber selbst immer einen Apfel in der Brotbox hat, verliert er seine Wirkung. Der individuelle Geschmack und die persönlichen Ernährungsgewohnheiten entwickeln sich über Jahre hinweg. Wer von einem Kind ein Bewusstsein für verschiedene gesunde Lebensmittel erwartet, muss es „vorleben“ und darf nicht versuchen, nur mit dem Wort „gesund“ zu „erziehen“. Nur dann kann das Kind sich an den Eltern orientieren, ohne sich bevormundet zu fühlen. Kinder werden dann zwar immer noch einige Speisen ablehnen, sie finden aber auch ganz sicher einen Zugang zu den Speisen, die ihre Eltern selbst essen und anbieten. Dies funktioniert jedoch nur, wenn das Angebot zu Hause und das Essverhalten der Eltern selbst diesem Ideal entsprechen.

auf den punkt gebracht

Die Familie ist für den Säugling und das Kleinkind der erste Erfahrungsrahmen für sein. Sie lernen durch Nachahmung und Imitation, weniger durch Kommunikation beim Essen. Sie wollen sehen, woran die Eltern Freude haben, um dieselbe Freude erleben zu können. Deutlich schwieriger ist es, Kindern etwas vermitteln zu wollen, wenn es in der Familiengemeinschaft nicht gelebt wird.

Das Wort „gesund“

Man sollte seinem Kind nicht zwanghaft oder händeringend zu erklären versuchen, dass bestimmte Lebensmittel etwas mit Gesundheit zu tun haben und dass sie diese deshalb essen „müssen“. Man sollte besser sagen: „Auf unserem Teller fehlen noch ein paar Farben, der sieht so langweilig aus.“ So können sie noch ein paar tolle Gemüsefarben oder Obstfarben mit auf den Teller bringen. In der Kindheit lernen Kinder immer wieder auf so spielerische Art und Weise,
ihre Gewohnheiten zu modellieren. Anstatt zu sagen „du musst dein Gemüse essen, denn das ist gesund“ sollten Eltern versuchen, sich in die Welt eines Kindes zu versetzen, um schnell erkennen zu können, dass ein Kind mit solchen Erwartungen nichts anfangen kann.

Stellen wir uns folgendes Beispiel vor: Sie reden mit Beständigkeit und Dringlichkeit auf Ihr Kind ein. Sie sagen, dass bestimmte Lebensmittel ungesund oder Sie verweisen auf die Folgen schlechter Ernährung und die Auswirkungen: „Du bekommst schlechte Zähne davon“. Aber der Schularzt kommt und sagt Ihrem Kind, was für tolle Zähne es doch hat. Dieses Beispiel wird oft verwendet, um zu verdeutlichen, wie schnell Ihnen dieses Thema entgleiten kann. Oder stellen Sie sich die Vielfalt an Meinungen vor, die Ihr Kind an einem Schultag mitbekommt. Ein Mitschüler bekommt jeden Tag Süßigkeiten mit und sagt mit strahlendem Lächeln: „Ich putze mir nie die Zähne „. Sie sehen, dass sich ein Schlamassel anbahnt. Wie sollen sie es kontrollieren?

Das Essverhalten eines Kindes lässt sich nicht durch Ernährungsweisen verändern.
Ihr Kind macht sich erst einmal nichts aus einer gesunden Ernährung, es kommt nicht mit dem Wunsch auf die Welt, sich gesund zu ernähren, sondern folgt seinen Primärbedürfnissen nach Sättigung, Durst und Hunger. Es möchte essen, besonders süß und in den meisten Fällen nicht das, was sich als gesunde Lebensmittel etabliert hat. Sie folgen erst einmal ihren inneren Mechanismen, wie wir sie im Land der Ernährungspsychologie besprochen haben. Über viele Jahre hinweg versuchen wir bereits in Unterrichtsfächern und an Familientischen, gesunde Ernährung an Kinder heranzutragen, mit einem erschreckenden Ergebnis. „Gesund“ ist bei Kindern das, was unbeliebt ist, wie sich immer wieder in Untersuchungen und Befragungen zeigt.  Gesund wurde als negative Erfahrung antrainiert, die Begrifflichkeit wird überwiegend als Assoziation für etwas gesehen, das Ihr Kind gar nicht essen möchte: „Es schmeckt mir nicht“. „Ich mag lieber etwas anderes essen“. Auf diese Weise wird der Bezug auf gesunde Lebensmittel schnell verabschiedet. Darüber hinaus können wir durch zwanghaftes Fordern von gesunder Ernährung eine Einstellung fördern, die dazu führt, dass alles, was mit „gesund“ betitelt wird, mit einem Gefühl von „Ich muss, obwohl ich nicht möchte“ verknüpft wird. Im Hintergrund sind dabei psychologische und neurobiologische Verschaltungen wirksam, die, eine große Rolle bei der Entwicklung Ihres Kindes spielen.

Ermöglichen Sie auch im Bereich der Ernährung ein offenes Verhältnis. So werden Sie sich um die Aufmerksamkeit Ihres Kindes bemühen, damit es den Blick auf den Broccoli wirft und nicht ständig nach der Fast-Food-Pizza aus dem Tiefkühlfach fragt. Kinder lernen ihren Zugang zum Essen und zu ihren Essgewohnheiten nicht dadurch, dass sie die Ernährungspyramide kennen und wissen, was „gesund“ und „ungesund“ ist. Von größerer Bedeutung für ein Kind sind das Vorbild der Eltern, die Verfügbarkeit der Nahrungsmittel zu Hause und die Gewohnheiten in der Familie.

Angelika-Baak
Expertentipp
Angelika Baak

Dipl.-Ernährungswissenschaftlerin | Zertifizierte Ernährungsberaterin

Was sind die Grundsätze einer gesunden Ernährung?

Bei Lebensmitteln selbst sollte man eigentlich nicht von ‚gesund‘ und ‚ungesund‘ sprechen und sie auch nicht so einteilen. Natürlich bezeichnet man stark verarbeitete Lebensmittel mit vielen Zusatzstoffen, die übersüßt sind und einen hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren aus tierischen Fetten sowie aus Palm- und Kokos-Fetten enthalten, eher als ungesund. Aber auch solche Produkte sind nicht gleich ‚ungesund‘, wenn man sie nur ab und zu isst.  ‚Ungesund‘ ist eigentlich nur die Ernährungsweise, wenn von bestimmten Nahrungsmitteln oder Speisen beispielsweise zu viel (rot und auch gelb in der aid-Ernährungspyramide) und von anderen zu wenig (grün in der Ernährungspyramide) gegessen wird. Auf das Verhältnis kommt es an.

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Der Ernährungskreis

Die Basis einer kindergerechten Ernährung können Sie der folgenden Abbildung des „Ernährungskreises“  entnehmen von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Wir werden uns in den folgenden Punkten der vollwertigen Ernährung nähern.

1. Getreide, Getreideprodukte und Kartoffeln (30 %)
2. Gemüse (26 %)
3. Obst (17 %)
4. Milch und Milchprodukte (18 %)
5. Fleisch, Wurst, Fisch und Eier (7 %)
6. Öle und Fette (2 %)

Ist ein Tag nicht so ausgewogen, wie Sie sich das selbst vorgestellt haben, dann ist es kein Problem, sich an den darauffolgenden Tagen wieder dorthin zu bewegen. Ernährung ist keine Einbahnstraße, sondern man kann auch mal einige Abzweigungen nehmen, solange man sich in die richtige Richtung bewegt. Die richtige Richtung gibt uns der DGE-Ernährungskreis vor. Dieser Ernährungskreis ist nicht für Säuglinge geeignet, sondern er steht eher für die Ernährung von Erwachsenen und Kleinkindern. Im Land Beikost und optimierte Mischkost finden Sie die passenden Einstiege.

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Wie viel Wasser sollte mein Kind zu sich nehmen (pro Tag)?

Wasser und Getränke

An erster Stelle steht die Flüssigkeit. Für Erwachsene gelten 1.5 Liter als grober Richtwert, pro Tag!
Um Ihnen eine Übersicht zu verschaffen, finden Sie nachfolgend eine Tabelle für die Richtwerte nachdem Alter mit anschließendem Gesamtbedarf an Flüssigkeiten pro Tag. Bei starker körperlicher Aktivität und hohen Temperaturen steigt der Tagesbedarf. Auch bei trockener Luft, Kochsalzverzehr oder Fieber, Erbrechen und Durchfall erhöht sich der tägliche Wasserbedarf. Zwar nehmen wir über die Nahrung zusätzlich Flüssigkeiten auf, jedoch sind die folgenden Werte hiervon ausgeschlossen. Die Menge an Flüssigkeit in dieser Tabelle bezieht sich ausschließlich auf die zugeführten Getränke etc.

Wichtig: Flüssigkeit ist nicht gleich Flüssigkeit, achten Sie darauf, dass die Menge an Wasser nicht durch zuckerhaltige Getränke erreicht wird (auch Fruchtsäfte enthalten viel Fruchtzucker und sollten deshalb verdünnt werden). Limonade und Eistee sind entsprechend der Ernährungspyramide Extras und gehören zu der Spitze, nämlich zu den Süßigkeiten. Wir werden Ihnen bei unserer Reise einige Möglichkeiten vorstellen, um selbst ein leckeres hausgemachtes Aroma-Wasser herzustellen für den täglichen Wasserbedarf der Familie.

1 Glas entspricht in etwa 150 ml Wasser
Säugling: Ein Säugling trinkt ganz individuell und braucht auch in der Nacht seine Nahrung. Sie trinken so viel Milch, wie sie benötigen und man sollte einen Säugling nicht (nur/zwingend) nach einer Tabelle füttern. Es kann sein, dass der Säugling einmal weniger trinkt, dafür beim nächsten Stillen wieder mehr. Deshalb ist es wichtig, stets auf die Bedürfnisse seines Babys individuell einzugehen und die Häufigkeit und Dauer der Stillmahlzeiten an das Baby anzupassen. Die Frauenbrust bildet so viel Milch nach, wie vom Baby verbraucht wurde. Die Nachfrage des Babys regelt somit das Angebot.

Geben Sie Ihrem gesunden, normal gewichtigen Neugeborenen keine weiteren Flüssigkeiten (Säuglingsnahrung, Tee, Wasser) zusätzlich zum Stillen. Eine zusätzliche Flüssigkeitszufuhr oder eine Zufütterung sollten nur in Absprache mit dem Kinderarzt oder einer Laktationsberaterin erfolgen, falls das Baby zu stark an Gewicht verlieren sollte.

Obst und Gemüse

Manche Kinder mögen das Gemüse eher, wenn es gekocht wird, andere essen es lieber roh. Versuchen Sie, mit den Geschmacks-schwächeren Gemüsesorten zu beginnen, falls ihr Kind rapide ablehnt. Tomaten oder Gurken schmecken meist nicht so intensiv wie Karotten oder Broccoli. Mittlerweile stehen auch Gemüse-Smoothies hoch im Kurs und können jeden Kindergaumen verlocken, mit ihren leckeren Farben. Es ist manchmal doch leichter, seinen Geschmack an der Flüssigkeit zu trainieren als durchkauen, probieren sie es doch einfach mal aus. Das Gleiche gilt für das Obst, obwohl hier die meisten Kinder sehr gerne zugreifen.

Getreideprodukte und Kartoffeln

Weizen, Brot, Müsli, Roggen, Reis, Hirse, Dinkel, Hafer, Teigwaren, Kartoffeln, Quinoa, Buchweizen, Amaranth gehören alle in diesen Kreis. Kohlenhydrate sind wunderbare Energielieferanten und Getreideprodukte enthalten auch Proteine (Eiweiß). In der alltäglichen Ernährung finden wir sie in Brot, Nudeln, Kartoffeln oder im Reis. Vollkornprodukte machen uns besonders lange satt. Ein weiterer Vorteil sind die Ballaststoffe und sekundären Pflanzenstoffe, die für die Darmgesundheit besonders wertvoll sind. Ebenfalls finden wir darin einige Vitamine und Mineralstoffe (B-Vitamine, Eisen, Zink, Magnesium) als wichtige Nährstoffe für Wachstum und Muskeln. Ideal sind drei Portionen Kohlenhydrate am Tag (1 Portion entspricht in etwa einer Handvoll).

Milch und Milchprodukte

Tierische Produkte enthalten viel hochwertiges Eiweiß. Milchprodukte unterstützen das Wachstum, enthalten viel Calcium und unterstützen den Knochenbau. Darüber hinaus finden sich Kalium, Magnesium, Jod und viele Vitamine in Milchprodukten. Ob Magerquark oder Trinkmilch, Joghurt oder Schnittkäse, Kinder können in der Familienkost langsam an verschiedene Milchprodukte herangeführt werden.

Fleisch und Fisch

Zweimal bis dreimal pro Woche Fleisch und Wurst dabei können ebenfalls ein paar Eier und mindestens einmal pro Woche eine Fischmahlzeit auf dem Speiseplan stehen. All diese Lebensmittel enthalten hochwertiges Eiweiß. Ebenso liefert Fleisch wichtiges Eisen, das in den tierischen Lebensmitteln in gut verwertbarer Form zu finden ist, was ebenso für die Versorgung mit Zink und B-Vitaminen gilt. Dennoch sollten auch fleischfreie Mahlzeiten angeboten werden, da große Portionen Fleisch auch unerwünschte Nebenwirkungen haben bei übermäßigem Verzehr (Fett, Cholesterin, Purine). Fisch enthält wertvolle Omega-3-Fettsäuren. Seefische wie Rotbarsch oder Kabeljau sind wertvolle Jodquellen. Ein Jodmangel ist bei einigen Kindern zu beobachten. Übrigens ist mageres Fleisch wie Geflügel rotem Fleisch vorzuziehen.

Nüsse, Öle und Co.

Verstecke Fette lassen sich dadurch reduzieren, dass man fettarme Wurst- und Käsesorten verwendet. Margarine oder Sonnenblumen- und Kürbiskerne oder Olivenöl enthalten ebenfalls wertvolle Vitamine und sogenannte mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die wichtig für die Ernährung sind. Nüsse und Samen gehören ebenfalls dazu. Koch- und Streichfette sollten sparsam eingesetzt werden, etwa 25-35 Gramm pro Tag, was etwa drei Esslöffeln entspricht. Dabei muss es nicht immer Margarine oder Butter sein, ein Brotaufstrich aus Quark ist ebenso zu empfehlen. Dennoch dürfen auch Butter oder Margarine auf den Tisch (Pflanzen-, Reform- oder Sonnenblumen-Margarine), letztere haben einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren.

NO-GO’S im ersten Lebensjahr: Diese Lebensmittel vermeide ich für mein Kind im 1. Lebensjahr:
Sicherlich haben Sie sich neben der Frage, was gut für Ihr Kind ist, auch die Frage gestellt, was Ihrem Kind eher nicht guttut und bei dem Sie es besser vermeiden sollten, es Ihrem Kleinsten aufzutischen. Hier dürfen und sollen unterschiedliche Blickwinkel in Betracht gezogen werden. So wird eine vegetarisch lebende Familie beispielsweise zunächst von einem ausgiebigen Fleischgenuss des Kindes absehen. Doch gibt es eine Reihe anerkannter „No-Gos“, die im ersten Lebensjahr vermieden werden sollten:

  • Johannisbeeren, Erdnüsse, Trauben, Rosinen, Sonnenblumenkerne, Nüsse, harte Getreideprodukte (z. B. Gebäck mit Körnern): All diese Köstlichkeiten haben leider eines gemeinsam: Sie sind klein und hart und bergen somit eine hohe Verschluckungsgefahr, weil sie leicht in die Luftröhre gelangen können. Auch zu klein geschnittene Obst- oder Gemüsestückchen fallen in diese Kategorie. Das heißt nicht, dass sie per se gemieden werden sollen, sondern nur dass sie zu biss-gerechten Stücken verarbeitet werden sollten.

  • Kohl, Zwiebeln, Lauch und Hülsenfrüchte können schmerzhafte Blähungen verursachen.

  • Kurz gebratene Fleisch- und Geflügelprodukte sollten ebenfalls vermieden werden, hier kann eine Salmonellen-Infektion möglich ist.

  • Schwer verdaulich und deshalb ebenfalls zu vermeiden sind fette Wurstarten, fettes Fleisch und in Fett Frittiertes oder Gebackenes. Auch rohes Getreide ist schwer verdaulich und kann unerwünschte Keime enthalten.

  • Stark gewürzte bzw. gesalzene Lebensmittel sind für den jungen Babymagen ungeeignet.

  • Rohe tierische Lebensmittel können leider häufig mit Krankheitserregern belastet sein, die bei Kindern eine Magen-Darm-Erkrankung hervorrufen können, die im schlimmsten Fall lebensbedrohlich sein kann. Vermeiden Sie deshalb unbedingt Rohmilchkäse (Weichkäse), Roh- und Vorzugsmilch und rohe Wurst- und Fleischprodukte (z. B. Teewurst, Mettwurst, Tatar, rohen Fisch, rohe Eier, selbstgemachte Mayonnaise, Soßen und Süßspeisen mit rohen Eiern).

  • Roher Bienenhonig birgt die Gefahr des „Säuglingsbotulismus“, da Bienenhonig Keime eines Bakteriums enthalten kann, das im Kinderdarm ein gefährliches Gift bilden kann. Wenn Honig allerdings in Fertigprodukten enthalten ist, ist er ungefährlich, da durch die Erhitzung bei der Herstellung die Keime abgetötet werden.

  • Nicht raffinierte und kaltgepresste Öle, da sie Schwermetalle, Schimmelbekämpfungsmittel und andere unerwünschte Stoffe enthalten können.

fazit

Gemeinsames Essen beginnt bei der Ruhe und dem Genuss. Eine ausgewogene und vielseitige Ernährung findet auch den Weg in die psychische Zufriedenheit. Heute wissen wir, dass das, was wir essen, auch unsere Stimmung beeinflussen kann. Kinder lernen bereits mit Ende des ersten Lebensjahres von ihren Eltern auch das Verhalten am Essenstisch. Dabei lernen sie einiges von ihren Eltern. Am Essenstisch sind immer wieder Geduld und Ruhe gefragt sowie die Bereitschaft dafür, dass die ganze Vielfalt unserer Lebensmittel nach und nach bekannt wird.

Quellen / Literatur

Schwartz C, Scholtens PA, Lalanne A et al (2011) Development of healthy eating habits early in life. Review of recent evidence and selected guidelines. Appetite 57:796-807

 

Shutts K, Kinzler KD, DeJesus JM (2013) Understanding infants' and children's social learning about foods: previous research and new prospects. Dev Psychol 49:419-425

 

Hammons AJ, Fiese BH (2011) Is frequency of shared family meals related to the nutritional health of children and adolescents? Pediatrics 127:e1565-e1574

 

Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) (2004) Ernährungsbericht 2004. DGE, Bonn

 

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (2011) Gesund groß werden. Eltern-Ordner zum gesunden Aufwachsen und zu den Früherkennungsuntersuchungen für Kinder U1-U9 und J1. BZgA, Köln

 

Carruth BR, Skinner JD (2002) Feeding behaviors and other motor development in healthy children (2-24 months). J Am Coll Nutr 21:88-96

 

Ernährungskreis: http://www.dge-ernaehrungskreis.de/fileadmin/public/doc/fs/ekreis/Ballaststoffe_-_wertvoll_fuer_Ihre_Gesundheit.pdf

 

Pudel V: Essen will gelernt sein! In: So macht Essen Spaß! Ein Ratgeber für die Ernährungserziehung von Kindern. Beltz-Verlag, Stuttgart (2002)

 

Cornwell B, McAlister A: Contingent choice. Exploring the relationship between sweetened beverages and vegetable consumption. Appetite 62: 206-208 (2013).

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Angelika Baack
Dipl.-Ernährungswissenschaftlerin,
Zertifizierte Ernährungsberaterin