8.4 Spracherwerb und Sprachphasen
Antoine de Rivarol
Endlich mein Kind spricht!
Bis Sie diesen Satz sagen werden, vergeht überraschend wenig Zeit, hält man sich die Vielfalt unserer Sprache vor Augen. Kinder besitzen die angeborene Bereitschaft, Sprache zu erlernen und verfügen bereits ab der Geburt über ein feines Gespür für die Töne und Laute Ihrer Umwelt. Vom einfachen hin zum Komplexen, vom ersten Wort bis zum vollständigen Satz. Hier werden wir gemeinsam eine Reise einschlagen, die uns durch die Entwicklung und Entstehung der Sprache führt. Das anfängliche süße brabbeln in einfachen Lauten, entwickelt sich, mehr und mehr zu einem klangvollen wiedergeben und verstehen, bis hin zu Worten und ganzen Sätzen.
Nachdem Kinder anfänglich ihre Befindlichkeiten durch Körpersprache, den Gesichtsausdruck und dem wohl bekannten Schreien vollführen, lernen Sie nach und nach die Feinheit der Kommunikation. Hierbei erkennen Eltern, die immense Kraft der Nachahmung und Imitationsfreude des Kindes, die durch ihre Beobachtungsgabe die vielfältigen Beziehungen zwischen dem, was sie erleben, sehen und fühlen und dem, was die Erwachsenen damit beschreiben, erlernen.
Wichtig zu wissen:
Bei der Sprachentwicklung sind Unterschiede von Kind zu Kind durchaus normal. Die Entwicklung in diesem Bereich kann sehr unterschiedlich sein. 120 Muskeln werden insgesamt beim Sprechen bewegt und bis alle richtig koordiniert sind, brauch es anfänglich etwas Zeit und Übung. Aussprachefehler sind zu Beginn demnach nicht mit einer großen Sorge zu sehen, dennoch ist es ratsam, die Sprachentwicklung im Auge zu behalten. Im Alter von 3 Jahren sollte das Kind sich unterhalten können und Sätze bilden. Die grammatikalischen Regeln der Sprache sind im Alter von 4 Jahren meist in den Kinderschuhen, das Kind sollte dennoch seine Grundregeln bereits anwenden. Falls sie Probleme in der Sprachentwicklung sehen, das Kind im Alter von 3 – 4 Jahren Schwierigkeiten hat richtige Sätze zu bilden, soll es kein Hindernis sein im Zweifelsfall Rat und Unterstützung bei Logopäd(inn)en zu suchen. Früh erkannte sprachliche Defizite können in den meisten Fällen durch eine sprachliche Begleitung und Unterstützung nachgeholt werden (auch noch vor dem 3 und 4. Lebensjahr).
Staatlich anerkannte Logopädin, B.A. Medizinalfachberufe
Spracherwerb, Spracherwerbsphasen:
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In den ersten vier Lebensjahren werden die grundlegenden sprachlichen Strukturen erworben, wobei in den ersten drei Lebensjahren die wichtigsten Grundlagen aufgebaut werden
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die Sprachentwicklung eines sprachgesunden Kindes läuft nach einem bestimmten Schema ab, variiert jedoch individuell
Kurzübersicht der einzelnen Erwerbsphasen
(bei deutscher Muttersprache)
Schwangerschaft:
schon gegen Ende der Schwangerschaft sind die Kinder in der Lage, die Umgebungssprache wahrzunehmen, zu unterscheiden und deren Eigenschaften zum Aufbau erster sprachlicher Fähigkeiten zu verwenden
1. Lebensjahr (0 – 12 Monate): Meilenstein Sprachwahrnehmung
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Säuglinge reagieren schon von Geburt an auf Sprache und Stimme
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erste sprachliche Äußerungen des Kindes: Schreien, Schmatzen, Gurren und Lallen
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ab etwa dem 6. Lebensmonat werden die sprachlichen Äußerungen spezifischer und gezielter und sind durch die Muttersprache hinsichtlich der Sprachmelodie und –betonung geprägt
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ab etwa dem 10. Lebensmonat beginnen Kinder Sprache mit Bedeutung zu verknüpfen
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rund um den 1. Geburtstag, mit dem ersten Wort, setzt die produktive Sprachentwicklung ein
2. Lebensjahr (13 – 24 Monate): Meilenstein Wortschatzerwerb
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um den 18. Lebensmonat spricht ein Kind durchschnittlich 50 Wörter
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das Erreichen der sog. 50-Wort-Grenze stellt einen wichtigen Meilenstein in der Sprachentwicklung dar
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bei vielen Kindern setzt nun der Wortschatzspurt ein (Kinder lernen nun täglich mehrere neue Wörter dazu, d.h. dass die Erwerbsgeschwindigkeit neuer Wörter deutlich steigt)
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um den 2. Geburtstag spricht ein Kind in etwa 200 Wörter
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das Kind beginnt Zwei- und Mehrwortsätze zu produzieren (z.B. „Mama schlafen.“)
3. Lebensjahr (25 – 36 Monate): Meilenstein Grammatikerwerb
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Erweiterung des Wortschatzes (um den 3. Geburtstag spricht ein Kind in etwa 1.000 Wörter)
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grundlegende grammatische Strukturen werden erworben
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Der Erwerb der Verbzweitstellung stellt einen wichtigen Meilenstein in der Sprachentwicklung dar. Das Verb sollte nun produktiv in Verbzweitstellung verwendet werden können. (z.B. „Ich spiele Fußball.“ – Das Verb: „spielen“ ist nun an der zweiten Stelle im Satz)
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die Kinder lernen in dieser Zeit ihre Wünsche, Ängste, Bedürfnisse und Gedanken sprachlich zu äußern
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bis auf die Laute „sch“ (wie in Schokolade) und „ch“ (wie in Küche) können nun alle Laute bereits korrekt gebildet werden
4. Lebensjahr (37 – 48 Monate):
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dem Äußern der eigenen Gefühle und Bedürfnisse kommt nun bei Eintritt in den Kindergarten eine größere Bedeutung zu
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die Wortstellung im Satz wird flexibel
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kurze zusammenhängende Geschichten können erzählt werden
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vergangene und zukünftige Geschehnisse können erzählt werden
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eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist es, dass sich das Kind verständlich ausdrücken kann
Bis zum 5. Geburtstag:
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das Kind kann alle Laute korrekt bilden und verwenden
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die Sätze werden länger und komplexer
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grammatische Strukturen werden erweitert und komplexer
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weitere grammatische Strukturen werden erworben
Die Sprachentwicklung endet nicht mit dem 5. Geburtstag. Der Wortschatzumfang wird über das gesamte Leben größer. Die Entwicklung im Bereich der Grammatik setzt sich fort, bis sich im Alter von 6-7 Jahren die Textgrammatik ausgebildet hat.
Bereits im Mutterleib hört Ihr Kind Ihrer Stimme zu, und hat bereits nach der Geburt eine Vorliebe für die mütterliche Stimme. Jeder wache Moment ihres Kindes wird genutzt, um Informationen aus der Umwelt, zusammenzusammeln. Auch wenn das Baby noch selbst nicht spricht, hört es bereits sehr gerne zu. Die mütterliche Stimme hat bereits wenige Stunden nach der Geburt eine beruhigende Wirkung. Das Baby befindet sich nur auf einer notwendigen Erfahrungsreise durch die Sprache und die Funktionsweise seiner Sprechorgane. Die kurze Aufmerksamkeitsspanne entwickelt sich im Laufe der nächsten Monate stetig weiter, sodass auch bald Gegenstände fokussiert und im Gedächtnis abgerufen werden können. Eine wichtige Entwicklung, die auch die sprachlichen Fortschritte begleiten wird. Denn erst mit zunehmenden Wachheitsphasen und zunehmend steigender Gedächtnisleistung ist es dem Kind möglich, seine Umwelt in Worte zu tauchen. Dafür müssen verschiedene Dinge erlernt werden. Zuerst muss sich das Baby auf ein Leben außerhalb des Mutterleibs gewöhnen. Es kann zwar hören und ist sehr aufmerksam gegenüber Geräuschen in seiner Umgebung, doch die Mundwerkzeuge sind noch nicht vollständig kontrollierbar und dafür brauch es Zeit und Übung und vor allem sprachlichen Input, den Mama und Papa liefern werden, indem sie sanft und feinfühlig mit ihrem Baby kommunizieren.
Durch Schreien tritt Ihr Kind das erste Mal in seinem Leben in Kontakt mit seiner Umwelt, die erste Kommunikation mit den Eltern entsteht. Durch Schreien und Mimik drückt das Neugeborene seine Bedürfnisse (z.B. Hunger oder Unbehaglichkeit) aus – und Eltern erkennen mit zunehmender Zeit immer besser, welche Signale ihr Baby aussendet. Denn bereits nach 1 Monat kann das Baby seine Schreilaute variieren, um unterschiedliche Bedürfnisse auszudrücken.
Tipp:
Suchen Sie Blickkontakt zu Ihrem Kind, wenn es schreit & sprechen Sie mit Ihrem Kind während Tätigkeiten wie füttern oder wickeln – so wird bereits in den ersten Tagen eine starke, auch kommunikative Verbindung zu Ihrem Kind aufgebaut. Die Beschreibung und sprachliche Begleitung vieler alltäglicher Handlungen wirkt sich positiv auf die Sprachentwicklung aus.
Die ersten Laute entstehen noch durch automatische Muskelbewegungen ausgehend vom Mund, Hals und Kehlkopf. Durch ständige Sprechversuche wächst jedoch die Fähigkeit der Kontrolle. Wenn das Baby wach ist, versucht es immer wieder unterschiedlichste Bewegungen aus, wiederholt diese, passt an, versucht neu und öffnet sich jeden Tag ein kleines Stück mehr der sprachlichen Landschaft, wenn auch noch einige Schritte zu gehen sind.
Tipp: Wenn Ihr Kind Laute von sich gibt, tun sie ruhig so als würde sie in einem Dialog stehen. Antworten Sie, stellen Sie fragen und lächeln Sie – dies sind wundervolle Bindungserfahrungen und fördern zu dem die Bereitschaft sich sprachlich auszudrücken. Die Antworten, die sie auf die Gurrversuche ihres Kindes geben, werden aufmerksam beobachtet und ist ein stärkendes „Feedback“ für ihr Baby – umso vertrauter die Umgebung, desto besser wird gelernt.
3 Monat:
Anfänglich noch zufällige Bewegungen im Mundbereich werden zunehmend kontrolliertere Versuche des Babys unternommen. Auch die Zunge wird mittlerweile in die Sprechversuche eingebaut und hin und wieder ist die Spucke am Mund Teil der Laute, die das Baby begeistern. Verschiedene Geräusche entstehen und Laute werden erzeugt (r-ähnliche Laute). Bewegt das Kind die Zunge, entstehen sog. Kehllaute, die im hinteren Mundbereich erzeugt werden. Ihr Baby lernt mehr und mehr sich kommunikativ auszudrücken, auch wenn dies immer noch über gurgeln, quietschen und lallen vonstattengeht ist es bereit für sprachlichen Input. Studien haben hier gezeigt, dass das frühe Gestikulieren die Sprachentwicklung positiv begleitet.
Das heißt:
Gehen Sie gemeinsam in aufeinander bezogenen Kontakt – zeigen Sie ihrem Kind etwas, sprechen Sie darüber – benutzen Sie Mimik und Gestik, das alles ist eine große Hilfe um sich der sprachlichen Welt entgegenzustellen und zeigt sich als wunderbarer Einstieg.
Wichtig ist, dass Sie aufmerksam beieinander sind, denn Ablenkung ist kein guter Lehrmeister und ihr Kind braucht ihre Rückmeldung auf seine sprachlichen Versuche. Zeigen Sie ihren Mund beim Sprechen, und halten Sie Blickkontakt, das sind die ersten gemeinsamen Spracherfahrungen, die ihr Kind mittlerweile viel klarer wahrnehmen kann.
In dieser Phase saugt Ihr Kind weiterhin alles wie ein Schwamm auf – vor allem, was sich in seiner Umwelt und in der Nähe seiner Eltern abspielt. Seine jetzige Lieblingsbeschäftigung? Das Beobachten und anschließende Wiedergeben der Empfindungen durch Lallgeräusche. Das Baby kann jetzt auch bewusst lächeln, das sogenannte „soziale Lächeln“ zeigt die freudige Bereitschaft in der Gemeinschaft zu kommunizieren und sich auszutauschen. Durch die zunehmende Fähigkeit länger bei einer Sache aufmerksam zu bleiben, lernt es die ersten intensive Kontakte kennen, in welchen Eltern verschiedene Worte benutzen um zu erklären, was sie tun. Die ersten Gespräche finden statt und was Mama und Papa von sich geben ist höchst interessant.
Diese Phase, auch zweite Lallphase genannt, äußert sich vor allem durch vermehrtes Sprechen von Silben, wie z.B. lala oder „bubu“. (Taube oder schwerhörige Kinder fallen in dieser Phase oft durch vergleichsweise zunehmende Verstummung auf, da sie die eigenen Geräusche nicht hören und somit auch nicht wiedergeben können). Die zweite Lallphase unterscheidet sich von der ersten Lallphase. Ab jetzt ist nicht mehr das Empfinden im Mund und Rachenbereich für die Lautproduktion hauptverantwortlich, sondern die sprachliche Anregung der Umwelt trägt seine ersten Früchte. Das Baby liebt es im Dialog zu stehen und versucht fleißig seine Eltern nachzuahmen. Dieses Lernprinzip liegt dem Sprechen lernen zu großen Teilen bei. Sprache wird im gemeinsamen Sprechen erlernt. Die Nachahmung und Imitation der Brabbelgeräusch, die Versuche des Babys Silben aneinander zu reihen, zeigen die immense Bereitschaft des Babys Sprache zu verinnerlichen.
Tipp: Die Möglichkeit in einem Dialog zu stehen ist für junge Kinder eins bereicherndes Erlebnis, sobald es mit Ihnen durch Mimik oder „Lallen“ die Kommunikation aufnimmt. Ein Lächeln gibt Ihrem Kind ein positives Feedback, es spürt Erfolg in seiner Art sich auszudrücken und möchte diese somit weiterentwickeln. Versuchen Sie doch einmal zu deuten, was ihr Baby versucht auszudrücken, dabei entstehen wundervolle Dialoge ganz eigener Natur.
Der Blickkontakt ist ein wichtiger sprachlicher Lehrmeister. Aus dem Gesichtsausdruck können Babys bereits lesen und verstehen allmählich die Sprache verschiedener Gesichtszüge. Freundliche oder skeptische, zugewandt oder abgelenkt– das Baby spürt bereits über die Körpersprache der Eltern einige Zeichen zu deuten. Der Gesichtsausdruck in Verbindung mit dem Tonfall ist lange Zeit eine gute Orientierung für das Baby, um seine Umwelt zu deuten. Auch in späteren Jahren macht der Ton die Musik und der Körper spricht mit. In vielen Fällen achten wir nicht bewusst auf Körpersprache und mimischen Ausdruck. Doch vor allem bei Kindern kann man hieraus oft treffsicher den Gemütszustand „ablesen“.
Ihr Kind versteht langsam den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung – und dass sein eigener Wille nicht unbedingt Ihren Vorstellungen entspricht. Es besitzt nun die Fähigkeiten, dies wie folgt zu äußern;
Bis zum 18. Lebensmonat eignet sich ein Kind einen Wortschatz von ungefähr 50 bis 200 Wörtern an, welcher hauptsächlich aus Substantiven besteht, aber auch Funktionswörter wie z.B. “da”. Durch Aneinanderreihung von zwei oder sogar drei Wörtern werden Beobachtungen kommuniziert; z.B. “Mama Garten” (wenn das Kind beobachtet, dass die Mutter aus dem Garten kommt oder sich dort befindet).
Erklärung: Die Aneinanderreihung von 2 Wörtern befähigt Ihr Kind, sprachlich zu handeln und somit entweder auf etwas hinzuweisen, eine Antwort zu geben, etwas zu benennen oder jemanden aufzufordern.
Interessanter Fakt: Schätzungsweise muss ein Kind in dieser Phase ein Wort ca. 300 Mal gehört haben, damit dieses in dessen aktiven Wortschatz aufgenommen wird.
Tipp (Alter: nach Vollendung des 1. Lebensjahres):
- Viel Singen, Reime, einfache Versteckspiele regen die Sprachentwicklung Ihres Kindes und seine Kreativität in dieser Phase besonders an
- Erzählungen und Erläuterungen über die gemeinsam erlebten Dinge eines Tages fördern die Festigung der Zuordnung von Erlebten und dieses Ausdrücken zu können
Achtung: Wenn Ihr Kind ein Wort falsch ausspricht, sollten Sie es vermeiden, Ihr Kind zu korrigieren. Besser/pädagogisch wertvoller ist es, im nächsten Satz von Ihnen das Wort in Ihrer korrekten Form auszusprechen und sogar noch durch Eigenschaften, welche dieses Wort besitzt, weiter zu beschreiben.
Ihr Kind verfügt inzwischen über ein relativ gutes Sprachverständnis! Da der Spracherwerb langsam in „Fleisch und Blut“ übergeht, hat Ihr Kind nun Kapazitäten, sich weiteren komplexen Dingen zuzuwenden, beispielsweise das Erkennen und Ausdrücken der eigenen Gefühle. In dieser Phase – auch genannt „erstes Fragealter“, lernt Ihr Kind einiges darüber, was Beziehungen ausmacht: Liebe, Vertrauen, Mitgefühl. Dass Sie als Elternteil ihr Kind mit Liebe umsorgt und seine Bedürfnisse erfüllt haben, hat es zu einem selbstbewussten und optimistischem Kind gemacht! Durch das stetige Beobachten (bspw. beim Einkaufen, beim Hausputz, etc.) und Fragen versteht Ihr Kind nun, wie man mit seinen Mitmenschen freundlich und hilfsbereit umgeht. Doch wie geht die Entwicklung nun weiter?
Ab Erreichen der 50-Wörter-Grenze vergrößert sich der Wortschatz nochmals rapide. Es wird damit begonnen, erste Sätze und Satzgefüge aus mehreren Worten zu kreieren. Basierend auf dem enormen Interesse und Fragedurst der Kinder wird versucht, alle Gegenstände und Personen in deren Umwelt zu benennen. Kennzeichnend für diese Phase sind die vermehrten Fragen wie “was das”, “wo Papa”, etc.
Diese Phase und die darin erworbene Fähigkeit, helfen Ihrem Kind „Richtig und falsch“ zu differenzieren, und dies und andere Geschehnisse auch verbal durch Sätze auszudrücken. Auch die wundervolle Fähigkeit über Träume oder Geschehnisse, die in der Zukunft liegen, ist nun möglich.
Tipps: Fragen Sie Ihr Kind, was es bereits gemacht/erlebt hat. Auch die Wiederholung von bereits erzählten Geschichten ist in dieser Phase sehr.
Neugeborene oder auch Kinder im Frühalter dieser Phase sind wie Besucher aus einem fremden Land. Sie verstehen nicht immer, was man Ihnen sagt, aber Sie lernen schnell.
Stellen Sie sich vor, Sie erkunden zum ersten Mal in Ihrem Leben ein völliges neues Land. Ein neues Land voller fremder Kulturen, Gesichter, Gegenständen und Gebräuchen. Sie haben das Glück, die dort gesprochene Sprache zu sprechen – doch Sie kennen sich nicht aus! Und ihr einziger Weg, um einen Schritt in diesem Land vor den anderen zu setzen, ist das stetige Fragen anderer Personen, die Ihnen über den Weg laufen. Ob Alt oder Jung, fremd oder bekannt, um weiterzukommen, müssen Sie jede Person an jeder möglichen Etappe fragen. Und Sie sind dankbar für jede Antwort, und sei sie noch so kurz – aber sie hilft Ihnen weiter, Stück für Stück, Schritt für Schritt. Und am Ende Ihrer Reise haben Sie durch Ihre Fragen ein ganzes Land erkundet, und sich somit ein Stück weit innerlich zu eigen gemacht.
„Warum“ ist eine kennzeichnende Frage des 2. Fragealters. Der Wortschatz entwickelt sich weiterhin ständig weiter und entspricht in dieser Phase etwa bereits 1000 Wörter – wobei sich das Kind nun auch das Bilden von Satzgefügen aneignet. Um komplexe Verknüpfungen zu verstehen, welches das häufigste Ziel der Fragestellungen von Kindern sind, sollten Eltern sich bei der Beantwortung der Frage Zeit lassen.
Vorsicht: Ungefähr im 4. Lebensjahr können häufiger Sprechschwierigkeiten oder gar Sprechfehler wie Stottern entstehen, da das Gehirn und das damit verbundene Denken hier oft schneller sind als die jeweilige Wortfindung.
Tipp: Lassen Sie Ihr Kind von seinen Erlebnissen erzählen und hören Sie hierbei gut zu, fragen Sie nach und kommentieren Sie begründet unterschiedliche Erzählungen. Lassen Sie Ihrem Kind Ruhe und Zeit, Dinge zu wiederholen, wenn es sie nicht richtig ausgesprochen hat. Kreative Buchvorlesungen, gestützt durch passende Bildanschauen, festigt ebenfalls die Sprachentwicklung. Der Medienkonsum sollte 30 Minuten pro Tag nicht überschreiten!
Da Fehler in der Aussprache und Grammatik stetig reduziert werden, ist in dieser Phase eine weit entwickelte Kommunikation mit der Außenwelt möglich. Kinder orientieren sich ab sofort bei der Verwendung von Worten und Sätzen sehr an der Sprache Ihrer Bezugsperson (Eltern) und anderen Erwachsenen. Die Lautbildung, sowie das Beherrschen von Umgangssprache sollten in diesem Alter abgeschlossen sein.
Tipp: Das Vorlesen einzelner Kurzgeschichten ohne Bilder, welche Ihr Kind im Anschluss wiederholen darf, fördert die Verknüpfung von Sprache und deren Inhalt, welcher transportiert werden soll.
Auch in der Sprache sind Kinder Bürger der Welt. Das heißt, sie sind noch nicht kulturgebunden. Sie befinden sich am Beginn ihrer Entwicklung und Anpassung an unsere Gesellschaftsform. In die sie, wenn man so will, ganz hilflos hineingeboren werden. Beziehen wir dies auf die Sprache, entdeckte die Neurowissenschaft, dass Kinder bis zu einem Alter von etwa sieben Jahren wahre Genies sind im Erlernen einer Sprache. Das interessante hierbei ist, dass die sprachkulturellen Unterschiede sich erst im Laufe von 6-8 Monaten herausdifferenzieren. Was heißt das? Erst ab diesem Zeitpunkt verändert sich das Kleinkindgehirn und erfährt die Unterschiede der gehörten Sprache und erst danach werden sie zu kulturgebundenen Zuhörern. Des Weiteren wurden Babys getestet im Alter von 6-8 Monaten, die die Unterschiede durch einen Fernseh- oder eine Audiodatei vorgespielt bekommen haben. Das Ergebnis: Babys benötigen einen Menschen, um ihre Sprache zu erlernen. Hierbei sehen wir wieder, wir unbeschreiblich wichtig Gemeinschaft für unser Leben ist.
Quelle: The Linguistic Genius of Babys / Patricia Cool (Video – Ted TALK)
Staatlich anerkannte Logopädin, B.A. Medizinalfachberufe
Auffälligkeiten des Spracherwerbs / der Sprachentwicklung
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Kinder, ohne zugrunde liegende Erkrankung oder Beeinträchtigung, die um den 2. Geburtstag weniger als 50 Wörter sprechen, werden als Late Talker bezeichnet
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diese frühen sprachlichen Auffälligkeiten sollten beim Kinderarzt angesprochen und im Rahmen von Kontrollterminen beobachtet werden
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eine frühe therapeutische Intervention ist sinnvoll (bereits vor dem 2. Geburtstag möglich)
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Ebenfalls sollten häufige Mittelohrentzündung beim Kinderarzt thematisiert werden. Diese können, falls eine Hörminderung über längere Zeit vorliegt, zu sprachlichen Entwicklungsverzögerungen führen.
Tabelle: Sprachlicher Emotionsausdruck im Entwicklungsverlauf (modifiziert nach Petermann & Wiedebusch, 2003, S. 37)
Sprache, so könnte man meinen, ist selbstverständlich. Mühelos unterhalten wir uns. Doch was uns heute so kinderleicht von den Lippen kommt, ist ein hochkomplexer Vorgang – eine Meisterleistung Ihres Kindes. Zum Glück besitzt Ihr Kind in den ersten Lebensjahren, eine leistungsfähige, naturgegebene Bereitschaft, sich mit seiner Umwelt sprachlich auseinander zu setzen. Schnell begreifen Sie, dass man mit Lautäußerungen, Gestikulieren und Sprechen seine Bedürfnisse mitteilen kann. Sie erlernen im alltäglichen Familienleben, die Bedeutung einzelner Worte und deren Bedeutung. Kinder sind neugierig, wissbegierig und talentiert, wenn es um die Aneignung unserer Sprache geht. Aktiv erschließen sie sich die Welt und überführen Sie in Worte. Für diese Erkundungstour ist unsere Sprache ein passendes Werkzeug. Somit ist die Sprache ein weiterer „Schlüssel zur Welt“.
Grimm & Weinert 2002, Kauschke 2000, Meibauer & Rothweiler 1999, Schulz 2007a, Szagun 1983, 2007)
Gopnik, A., Kuhl, P. & Meltzoff, A.: Forschergeist in Windeln. Wie Ihr Kind die Welt begreift. – München 2003.
Wendlandt, W.: Sprachstörungen im Kindesalter. – Stuttgart 2000.
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Knetfelder (http://www.knetfeder.de/kkp/sprentwfenster.html)
Haug-Schnabel und Bensel, kindergarten heute, 1999 (https://www.kindergartenpaedagogik.de/138.html)
https://www.kindererziehung.com/Paedagogik/Entwicklung/Sprachentwicklung.php
https://www.babycenter.de/a8652/meilensteine-worte-verstehen-verhalten-und-konzepte
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