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8 | Kontinent der Sprache

8.3 Sprachförderung

Lesezeit: ca. 12 Minuten
Überblick
„Sprache ist die Kleidung der Gedanken.“

Samuel Johnson

Das kleine Wunder, Sprache zu erlernen, besteht als biologische Anlage in Ihrem Kind

Schon bei Neugeborenen sind die sprachrelevanten Hirnareale ausgebildet. Ab der Geburt verfügt das Kind bereits über die wesentlichen Strukturen im Gehirn, die es zum Spracherwerb benötigt. Es bedarf Zeit und einen Reifungsprozesses um sich der sprachlichen Welt vollständig zu öffnen. Die Gedächtnisleistung wird zunehmen und die Aufmerksamkeitsspanne sich erweitern. Das Baby braucht noch einige Zeit, bis es sich den Dingen seiner Umgebung über einen gewissen Zeitraum öffnen kann und aufmerksam dem Blick oder Zeigegeste von Mama oder Papa folgt. Nach der Geburt ist es dazu noch nicht in der Lage. Doch Kinder lernen die Sprache, fast wie aus Zauberhand, allein durch Zuhören und Nachahmen, durch Beobachten und Imitieren. Es würde sich wohl niemand am Ende seiner Kindheit darüber beschweren, wie hart es war, die Muttersprache im Elternhaus zu erlernen. Wir tun dies beiläufig. Kinder erkennen die Regelmäßigkeiten in ihrer Muttersprache und werden die Regeln (auch die Grammatik) durch den sprachlichen Austausch verinnerlichen, um sie später wiederzugeben – ganz ohne eine Sekunde über die grammatikalischen Regeln der Sprache nachzudenken. Im ersten Lebensjahr sind Babys ganz wild darauf, miteinander zu kommunizieren, ganz ohne Worte, und bilden somit sehr früh die Grundlage für den Erwerb der Muttersprache im Austausch mit ihren Eltern.

Denn nur beim Menschen finden sich diese außergewöhnlich gut ausgeprägten Bereiche des Gehirns, die uns dazu befähigen, uns auf so vielfältige Art und Weise miteinander zu unterhalten. So wird jedes Kind in eine Welt von Sprechenden hineingeboren und die sprachlichen Fortschritte eines Kindes entstehen im Dialog. Dann, wenn Eltern und Kind sich gemeinsam aufeinander beziehen, lernen sie allmählich, den Dingen ihrer Umwelt Bedeutung zu geben – dafür bedarf es einer sprachlich anregenden Umwelt.

Nicht nur zu viel, sondern auch das Richtige sagen

Eine frühe Sprachbegleitung und ihre Bedeutung für spätere kognitive und soziale Fähigkeiten werden in vielen Fällen unterschätzt. Mit der richtigen Herangehensweise, einer sprachfördernden Umgebung und deren Verinnerlichung wird Sprachförderung zum Kinderspiel. Im alltäglichen Miteinander wollen wir das unbewusste Sprechverhalten so ausrichten, dass wir ganz bewusst Anregungen setzen können, und zwar dort, wo wir sie gerne hören würden – bei Ihrem Kind.

Warum sprechen wir über Sprachförderung?

Damit sich im Gehirn etwas entwickelt, muss es angeregt werden

Damit die Sprachentwicklung stattfinden kann, muss mit dem Kind gesprochen werden, sprich, die „Module“ im Gehirn müssen bespielt werden. In den unterschiedlichsten Alltagssituationen dürfen Eltern ihrem Kind sprachlich ausdrücken, was sie gerade tun. Die Vorliebe für die Stimme der Mutter ist beispielsweise angeboren. Dabei spielen allerdings noch andere Bereiche eine Rolle, vor allem das Sehen wirkt ebenfalls beim Spracherwerb mit. Das Kind verbindet das Gesicht und die Mimik des Sprechenden mit den Lauten, die es hört. Damit es dann die Sprache richtig zuordnen kann, muss es erleben, dass sie aus dem Mund eines lebenden Menschen kommt und nicht beispielsweise aus den Lautsprechern eines Fernsehers.

Zur Sprachförderung:
Sprachförderung soll nicht zum Projekt heranwachsen, sondern bestenfalls in alltäglichen Gesprächen stattfinden. Diese folgenden Anregungen bieten Ihnen eine Möglichkeit, sich mit Ihrem Kind auseinanderzusetzen, eine fördernde Umgebung, die sich an die Entwicklung des Kindes anpasst und sich in einer gemeinsamen, spielerischen, spontanen Anregung aufbaut.
Dabei sollte kein Leistungsdruck entstehen. Vielmehr können Sie das Erlebnis mit Ihren Kindern so begleiten, dass Sie die richtigen Ansätze bieten. Was daraus resultiert, ist ein spielerisches Erfahren und Herantasten. Das Lernen funktioniert dann von alleine, ganz ohne Druck und Erwartungen. Ob Auffälligkeiten im Sprechen eines Kindes in den Bereich der normalen individuellen Differenzen gehören oder auf weitergehende Sprachentwicklungsstörungen weisen, muss im Zweifel durch eine spezielle Diagnose ermittelt werden. Die Meilensteine der Sprachentwicklung besprechen wir im Land: 8.4 Spracherwerb und Sprachphasen.

„Ein Wort, das ein Kind nicht kennt, ist ein Gedanke, den es nicht denken kann!“ – Wolfgang Maier

Die 6 Prinzipien

  1. Kinder lernen das, was sie am meisten hören – die Häufigkeit ist wichtig
  2. Kinder lernen Wörter für Dinge und Ereignisse, an denen sie interessiert sind
  3. Interaktive und auf die Kinder eingehende Umgebungen bauen sprachliches Lernen auf
  4. Kinder lernen am besten in bedeutungsvollen Kontexten
  5. Kinder müssen unterschiedliche Beispiele von Wörtern und Sprachstrukturen hören
  6. Wortschatz- und Grammatikentwicklung sind wechselwirkende Prozesse
fakt aus der forschung

Sprache und Medien

In einer Untersuchung zeigte sich der Austausch zwischen Eltern und Kind gestört, sobald der Fernseher angeschaltet war. Kindern im Alter von zwei Monaten bis vier Jahren wurden Mikrofone angehängt, die die Sprache in der häuslichen Umgebung aufzeichneten und auswerteten. Dies auszuwertende Frage war: Wie viel Sprache (wie viel Worte) kam aus dem Fernseher, wie viel von den Eltern? Mit jeder Stunde, die der Fernseher lief, nahm die Anzahl der Wörter ab, die Eltern und Kind aufeinander richteten. Lief der Fernseher nur im Hintergrund, wirkte sich dies ebenfalls auf den Austausch aus – er war geringer.

Sprachförderung

Sprachförderung bedeutet, Unterstützung zu geben. Oft bedeutet Sprachförderung nichts anderes, als gemeinsam in einen Dialog zu treten und dem Kind zurückzumelden, was bei uns angekommen ist. Alle „Maßnahmen“ sollen lediglich in natürlichen und authentischen Gesprächen stattfinden. Gemeinsam lenken wir die Aufmerksamkeit nun auf die kleinen Details im Austausch mit Kindern, die ihnen helfen, sich der Sprachlandschaft weiter zu öffnen.

Kinder lernen Wörter im Alltag, in den typischen zwischenmenschlichen Handlungen. Ob Baby oder Kleinkind, Kinder verknüpfen die Ereignisse des Tages mit den Worten, die Mama und Papa hierfür bereithalten. Der Griff zu dem Objekt, das sie immer zum Mund führen, wird beim wiederholten Male registriert. Immer wieder benutzen Mama und Papa das Wort „Glas“ dafür. In dem „Glas“ ist etwas, das wir „trinken“. Die Aufmerksamkeit der Kinder beginnt, die Sätze, die sie hören, zu „zerteilen“. Der anfängliche Wortschatz eines Kindes spiegelt dies sogar wider. Die Wörter, die sie aufsammeln, sind oft die gleichen, alltäglichen, sich wiederholenden Begriffe, wie:

All diese „sozialen“ Wörter und Aussagen stehen in engem Zusammenhang mit dem Ereignis, das sie beschreiben, wie der Verabschiedung von Mama, wenn sie kurz aus dem Haus geht. Der sprachliche Austausch ist deshalb notwendig, da erst durch sich wiederholende „Worterfahrungen“ ein fester Wortschatz gebildet wird. Begleiten Sie Ihre Sprache mit Mimik und Gestik, hilft dies ebenfalls beim Aufbau und Verständnis eines Wortes (z. B. Winken beim Abschied). Schwieriger und erst mit zunehmendem Alter verständlich werden abstrakte Begriffe wie Gerechtigkeit, Vertrauen, Hoffnung etc. Diese Begriffe bilden sich durch die Erfahrung mit der Umwelt in spezifischen Handlungen. Wenn Kind A mit Kind B etwas teilt, Kind B aber nicht mit Kind A, dann ist das nicht gerecht und diesem Gefühl geben die Eltern, Erzieher (alle Mitmenschen) irgendwann einen Namen. Das Kind lernt: Gerechtigkeit heißt z. B., dass alle sich gleich wohlfühlen dürfen. Dafür bedarf es Erfahrung, Erklärung, Anleitung und vielfältiger „Wortnahrung“ mit Eltern, Geschwistern oder anderen Kindern. Hier lernen sie auch in der Reibung mit anderen Kindern verschiedene „neuartige“ Gefühle kennen, die dann langsam und Stück für Stück einen „Namen“ bekommen. Begriffe wie ausleihen oder teilen, richtig und falsch, solche Worte lernen Kinder durch Erlebnisse, die wir Erwachsene sprachlich für Kinder ausschmücken und ihnen die Begriffe darbieten für die unterschiedlichen Facetten des Lebens. Deshalb ist es wichtig generell miteinander über das erlebte zu sprechen. Es gibt dem Kind immer die Möglichkeit dem erlebten „Ausdruck“ zu verleihen (auch ihren Gefühlen einen Namen zu geben).

Larissa-Junkert
Expertentipp
Larissa Junkert

Staatlich anerkannte Logopädin, B.A. Medizinalfachberufe

  • Alltagsrituale fördern das Sprachverstehen sowie die Sprachproduktion Ihres Kindes

  • Rituale sind schon im Säuglingsalter einsetzbar, wie z. B. das Aufziehen der Spieluhr oder das Anziehen des Schlafsacks; diese Tätigkeiten sollten sprachlich begleitet werden

  • Sprechen und Singen Sie bereits im Säuglingsalter mit Ihrem Kind

  • auch das alltägliche Geschehen, wie z. B. das Einkaufen, das Ausräumen des Geschirrspülers oder das Kochen, sollte sprachlich begleitet werden

  • nutzen Sie Gesprächssituationen, die sich am Interesse und Tun Ihres Kindes orientieren

  • geben Sie Ihrem Kind, besonders bei Fragestellungen, Zeit sich zu äußern

  • wenn Ihr Kind einen Fehler macht, weisen Sie es nicht direkt auf diesen Fehler hin, sondern wiederholen Sie die Aussage des Kindes noch einmal (z.B. Kind: „Smetterling sön!“, Mutter/Vater: „Ja, der Schmetterling ist schön!“)

  • Reime, Fingerspiele, Lieder, das gemeinsame Anschauen eines Bilderbuches, Spiele, wie z.B.: „Ich sehe was, was Du nicht siehst“ sowie das Vorlesen von altersgerechten Geschichten, fördern die Sprache der Kinder

  • achten Sie zudem darauf, dass Ihr Kind nicht mit dem Schnuller im Mund spricht

Sprachliche Erlebnislandschaften: sich aufeinander beziehen und miteinander sprechen

Sprechen Sie von Anfang an mit Ihrem Kind. Erklären Sie, was Sie tun, fühlen Sie sich dabei nicht unwohl, wenn Ihr Baby noch nicht antwortet – es hört zu. Besprechen Sie, was sie gerade tun, beispielsweise, wenn Sie Ihr Kind anziehen oder wickeln – eine gute Gelegenheit, in Ruhe miteinander zu kommunizieren. Treten Sie dabei in einen gemeinsamen Dialog, der Sie und Ihr Kind dazu anregt, zusammen die Aufmerksamkeit aufeinander zu richten (oder auf die Sache, über die Sie gerade sprechen). Dann sind Sie im besten sprachlichen Lernfeld.

Der kreative Lernprozess und seine Suche nach Rückmeldung

Vom Einfachen hin zum Komplexen: So verläuft der Spracherwerb. Erst das Wort, dann der Satz. Die erstaunliche Kreativität, mit der Kinder an den Erwerb der Sprache herangehen, ist bemerkenswert. Denn sie sprechen nicht nur das, was sie hören, sondern versuchen auch auf ganz eigene und neue Art, sich an die Sprache heranzutasten. Da sich Kinder nicht bewusst überlegen, was sie nun für Wörter benutzen, sondern das anwenden, was sie bereits als sprachliche Werkzeuge verinnerlicht haben, kann es vorkommen, dass hin und wieder Wörter verdreht werden. Was sie dann suchen, ist eine positive Rückmeldung und bestenfalls eine wiederholende Korrektur des falschen oder abgeänderten Wortes. Hierzu ein gedankliches Beispiel:

  • Richtig: „Mama hat sich gestern auch was davon genommen.“

  • Vom Kind: „Mama hat gestern auch davon genehmen.“ Zeigen Sie Ihrem Kind in bestimmten Fällen, was es leistet, dass es auf dem richtigen Weg ist, durch eigene Äußerungen etwas zu erreichen, sich mitzuteilen oder auszudrücken. Dabei ist die Rückmeldung und Ermutigung für Kinder die einzige Form des „Feedbacks“, die sie in ihrem sprachlichen Fortschritt erhalten. Bereits im Land des Sprachvorbildes berichten wir über die Notwendigkeit von Wiederholungen und Korrekturen der falsch ausgesprochenen Wörter anstelle von Verbesserungen:

  • Anstatt: „Das heißt genommen, nicht genehmen.“

  • Besser: „Ja, Mama hat sich gestern auch etwas davon genommen.“ Diese Rückmeldung wird ebenso verarbeitet, wie eine Verbesserung. So muss das Kind nicht das Gefühl bekommen, dass es ständig korrigiert wird. Es hat bereits das Wort gelernt und arbeitet nun an den Feinheiten. Dies gilt es zu unterstützen.

Sprachförderung beginnt im alltäglichen Austausch

PraxisBeispiel

Drei verschiedene Mütter befinden sich gemeinsam mit ihrem Kind beim Einkaufen. Gemeinsam laufen sie durch den Supermarkt, während das Kind eine Aubergine entdeckt und fragt, was das ist.

Mutter #1 schiebt ihren Einkaufswagen durch den Gang, in dem ihr Kind im Kindergartenalter eine Aubergine entdeckt und fragt, was das ist. Die Mutter übergeht das Kind, indem sie die Frage ignoriert.

Mutter #2 antwortet knapp: „Oh, das ist eine Aubergine, aber wir essen sie nicht.”

Mutter #3: „Oh, das ist eine Aubergine. Sie ist eine von den wenigen
lilafarbenen Gemüsesorten.” Sie nimmt die Aubergine in die Hand, reicht sie ihrem
Sohn und ermutigt ihn, sie auf die Waage zu legen. „Oh, sieh mal, sie
wiegt 200 g”, sagt die Mutter. „Du wirst sie lieben. Lass uns eine kaufen, mit nach
Hause nehmen und aufschneiden. Wir werden zusammen ein Gericht
kochen.”

Auf den Punkt gebracht
  • Das Lernen von Sprache kann überall stattfinden, ob zu Hause, beim Arzt, im Supermarkt, in Kindergarten und Schule und auf dem Spielplatz!

  • Das Sprachlernen funktioniert am besten, wenn Eltern das Interesse der Kinder würdigen und an ihre Anmerkungen anknüpfen.

  • Das Sprachlernen geschieht innerhalb sozialer Interaktion zwischen Erwachsenen, Kindern und Freunden.

Ein Wort und dessen Bedeutung lernen: Mustererkennung

Wie lernen Kinder ein Wort? Die Entwicklung des Wortschatzes ist eine sehr komplexe Denkleistung, die kaum auf eine Aussage heruntergebrochen werden kann. Daher bedarf es zur Veranschaulichung einer realistischen Darstellung. Wie lernen Kinder Wörter für etwas, das sie sehen und erleben, wie z. B. Haus, Auto, Ball oder Hase? Nicht immer, wenn das Kind z. B. das Wort „Auto“ hört, ist nur ein Auto im Sichtfeld. Oft befinden sich auch weitere Objekte und Gegenstände vor dem Kind. Vielleicht ist dahinter noch ein Haus, daneben ein Baum und ein Hund läuft vor dem Auto hin und her. Was also ist das Auto? Woher weiß das Kind, dass das Wort „Auto“ für das Fahrzeug steht und nicht für den Baum daneben?

Das Gehirn ist ein wahrer Meister in der Mustererkennung. Was tritt besonders häufig miteinander auf? Immer wieder sieht das Kind das Auto, während gleichzeitig das Wort „Auto“ fällt. Diese Muster werden vom Kind erkannt und in vielen unterschiedlichen Situationen miteinander verknüpft.

Kinder können Muster in der Sprache erkennen, was ihnen dabei hilft herauszufinden, welche Bedeutung welches Wort hat. Im Land ‚Sprachliche Interaktion‘ sehen wir die Wichtigkeit der aufeinander gerichteten Kommunikation zwischen Eltern und Kind, die erklärt, weshalb es wichtig ist, sich ausgiebig über die Dinge in der Umwelt mit seinem Kind zu unterhalten: Kinder bilden aus dem Gehörten und Gesehenen Muster. Diese Muster verinnerlichen sie und können sie anwenden. So wird aus der wiederkehrenden Wahrnehmung im Sichtfeld, wie z. B. dem Fahrzeug und dem Wort, das die Eltern hierfür benutzen („Schau mal, ein Auto“), ein Wortverständnis.

Schauen Sie sich folgendes Bild einmal genauer an.

Sie sehen verschiedenste Gegenstände auf dem Bild. Stellen Sie sich vor, sie selbst sind ein junges Kind und sie haben für all das, was sie hier sehen, kein Wort, um es zu beschreiben.

Wenn Sie nun zu Ihrem Kind sagen: „Schau mal da, ein Feuer im Kamin“, auf was genau bezieht sich dann diese Aussage? Auf welches Detail im Bild? Was ist ein Kamin? Was ein Feuer? Wo befindet sich was? Was für uns eine entsprechend leichte Aufgabe ist, ist für Kinder nicht so einfach nachvollziehbar. Die Welt aus den Augen eines Kindes zu sehen, heißt anzuerkennen, dass sie noch keine Kategorien gebildet haben, um die Dinge in ihrer Umwelt zu begreifen. In der Forschung ist das „Prinzip des ganzen Objektes“ die Bezeichnung dafür, einen ganzen „Gegenstand“ zu bezeichnen und nicht nur einen Teil oder eine bestimmte Eigenschaft, wie bei dem Wort „Auto“. Sie bezeichnen das Auto als Gesamtobjekt, dabei hat es aber noch vier Reifen, Scheiben und vieles mehr. Was für uns so selbstverständlich klingen mag, ist für ein Kind noch eine unbekannte sprachliche Landschaft.

Für Kinder ist es deshalb wichtig, dass Eltern beschreiben und „zeigen“, was sie meinen, wenn sie ihnen etwas erklären. Deshalb ist die gemeinsame Aufmerksamkeit und Zeigegeste so entscheidend wertvoll. Sie deutet auf spezielle Bereiche hin:

  • Schau, dort oben, das alles ist der Himmel. (Große Handbewegung über den gesamten Horizont)

  • Und schau dort, siehst du das? (Deutliche auf eine Stelle gerichtete Zeigegeste)

  • Das ist eine Wolke. Die bemerkenswerte Fähigkeit, Details aus der Mitwelt zu identifizieren und sie so rasch zu lernen, zeigt die Bereitschaft und Fertigkeit des Kindes, sich durch die Anleitung der Eltern der Wortwelt zu öffnen. Es muss nur begleitet werden.

Falsche Aussprache

Lars ist ganz aufgeregt, als er beim Einkaufen in der Stadt einen Hund vorbeilaufen sieht. Mit großen Augen an Mamas Hand zerrend fragt er:

Zu verstehen gilt, dass Lars nun überhaupt nicht für eine Verbesserung empfänglich wäre, geschweige denn der richtige Augenblick dafür wäre. Die einzige richtige Alternative ist, wie Mama nun reagiert:

Wiederholend verbessernd: „Da müssen wir die Frau mit dem Hund fragen, ob du ihn streicheln darfst. Sollen wir fragen, ob wir ihn streicheln dürfen?“

Beispiel falscher Grammatik

Gemeinsam Malen/Basteln/Spielen/Lesen

Stellen Sie sich vor, Sie malen gemeinsam ein Bild, schauen ein Bilderbuch an oder sitzen vor etwas, das sie gerade gemeinsam planen (wie Basteln). Hier können wir Wörter und ihre Verknüpfungen zu anderen Begriffen herstellen:

Beispiel:
Sie sitzen gemeinsam vor einer spielerischen Aufgabe. Ich male jetzt ein Bild. Ich male dein Gesicht, okay? Schau mal, erst mal male ich deine AUGEN, ZWEI große AUGEN, und dann male ich deine NASE, du hast auch eine NASE. Mit den AUGEN können wir sehen und mit der NASE können wir riechen.

Wenn Sie sich gemeinsam mit Ihrem Kind in einer ähnlichen Situation befinden, können Sie wiederholend zeigen, auch beim Bild, Bastelversuch oder sonstigem Projekt, und neue Begriffe durch Wiederholung erklären. Dies festigt das Wortverständnis.

Alltägliche Situationen beschreiben
Kind: Mama, da Ball.

A) Mama: Ja, da ist dein Ball da drüben am Tisch. Hast du deinen Ball an den Tisch geworfen?

Situationen ausführlich beschreiben und Sprachangebot erweitern:
Kind: Da, Auto.

B) Mama: Das ist ein Auto. Das fährt auf der Straße. Papa hat auch ein Auto. Wir sind gestern mit dem Auto gefahren. Sollen wir mal zu Papas Auto?

Kategorien bilden:
Kind: Da, Hund.

C) Mama: Das ist ein Hund. Der kann ganz laut bellen. Das ist eine Katze. Hunde und Katzen sind beides Tiere.

Der Kommunikationspartner Kind:
Auf dem Weg zum Gipfel der Sprachkünste bewegen sich Kinder langsam empor. Wird ein Kind auf etwas aufmerksam, wie beispielsweise der 2,5 Jahre alte Miro, versucht es bereits, sich mitzuteilen:

Kommunikation mit Kindern heißt auch, auf ihre Bemühungen zu reagieren und Rückmeldung auf ihre Versuche zu geben. Die Dialoge mit Kindern können unter dieser Voraussetzung wunderbar gelingen. Folgen Eltern den Zeigeversuchen ihres Kindes, antworten und wiederholen bzw. korrigieren die Aussprache durch Wiederholung des Satzes, wird dabei gelernt.

Auf den Punkt gebracht
  • Zu Hause, beim Arzt, im Supermarkt, in Kindergarten und Schule - Sprache wird überall erlernt.

  • Sprach-lernen, geschieht innerhalb sozialer Interaktion.

  • Sprachliche Zuwendung durch die Eltern ist ein bedeutsamer Teil für die sprachliche Entwicklung des Kindes.

  • Über das Hören und Nachsprechen, erfährt das Kind, was in der Kommunikation miteinander ausgedrückt wird.

  • Ein Hauptgrund für einen verspäteten Wortschatzerwerb ist ein kommunikationsarmes Umfeld.

fazit

Sprachförderung muss kein „Training“ sein:

Weder das Tempo noch die Reihenfolge, in der Ihr Kind bestimmte sprachliche Fähigkeiten erwirbt, können Sie beeinflussen. Gestalten Sie das sprachliche Klima in Ihrer Familie so, dass es die Sprache des Kindes auf natürliche Weise herausfordert, und vermitteln Sie ihm Spaß an der Sprache – dies ist die beste Unterstützung des Spracherwerbs Ihres Kindes.

Quellen / Literatur

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Schäfer, Gerd E.: Bildungsprozesse im Kindesalter. Selbstbildung, Erfahrung und Lernen in der frühen Kindheit. Weinheim, München: Beltz-Verlag 1995

 

Ulich, Michaela: Sprachförderung in mehrsprachigen Kindergruppen – Fachkräfte zwischen Anspruch und Wirklichkeit. In: KiTa aktuell BW 1999, Heft 7/8, S. 157-161

 

Ulich, Michaela/ Oberhuemer, Pamela/ Soltendieck, Monika: Die Welt trifft sich im Kindergarten. Interkulturelle Arbeit und Sprachförderung. Weinheim, Basel, Berlin: Beltz Verlag 2001

 

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http://www.sprachfoerderung.info/spracherwerb.htm

 

http://www.mutterspracherwerb.de/hauptmenue-phablet.htm

Larissa-Junkert
Larissa Junkert
Staatlich anerkannte
Logopädin, B.A.
Medizinialfachberufe