2.1 Erziehungsziele und Grundsätze
Wäre es nicht einfacher für Sie als Eltern, wenn Sie wüssten, worauf Sie Ihre Kinder vorbereiten sollten?
Den heutigen Erziehungsstilen und dem individuellen Wunsch der Eltern nach gut erzogenen Kindern mangelt es nicht an Vielfalt. Die kunterbuntesten Formen der Erziehung wurden propagiert, als Heilmittel angepriesen und später wieder verworfen. Auch heute ist eine einheitliche Vorgehensweise für alle Eltern fast unmöglich. Ein jeder hat individuelle Charakterzüge und Vorstellungen, die ihn dazu bewegen, auf eintretende Ereignisse im Familienleben grundverschieden zu reagieren. Kinderjahre verlaufen rasant, schnell lernen Ihre Kinder das Laufen, die ersten Worte zu sprechen und ihre eigenen Gedanken zu äußern. Genauso beständig verändern sich die Herausforderungen unserer Zeit und die Fähigkeiten, die wir heute brauchen, können morgen schon wieder veraltet sein. Woran also orientieren sich Kinder heute wie morgen? Stellen wir uns der Frage, was eine gute Erziehung ausmacht, erkennen wir, dass sich die Antwort darauf nicht einfach aus dem Ärmel schütteln lässt. Das Wort Erziehung wurde gewissermaßen zu einem Sammelbegriff aller Bemühungen, die Sie aufbringen können, um Ihrem Kind etwas mit auf seine Reise zu geben. Ein Begriff, der versucht zu beschreiben, welche Einflüsse Eltern auf ihr Kind haben und mit welchen Mitteln sie versuchen diese umzusetzen.
Erziehung ist das langsame Herausführen aus der Kindheit hinein in die große Welt.
Was heißt Erziehung? Um diese Fragen zu beantworten, suchen wir gemeinsam Werte und Erziehungsgrundsätze sowie eine zu ihnen passende authentische Haltung. Unser Ziel hier ist es, die Grundpfeiler zu verankern, damit Ihr Kind, ausgehend von seinen Bedürfnissen, wachsen kann. Eine wichtige Voraussetzung aller Bemühungen besteht darin, Erziehung mit den kindlichen Bedürfnissen in Einklang zu bringen. Das beinhaltet die Stärkung des kindlichen Selbstvertrauens, der Eigenständigkeit und der Überzeugung, etwas in dieser Welt bewirken zu können. Alles beginnt mit einem positiven Selbstbild, welches Ihrem Kind zeigt, dass Probleme lösbar werden, Rückschläge und Herausforderungen ein Teil des Lebens sind und die Zukunft gemeistert werden kann. Die Bewältigung des eigenen Lebens – dieses Ziel braucht jede Erziehung.
Eine Vielzahl von Erziehungsstilen
Jeder Erziehungsstil hat den Wunsch nach gut erzogenen Kindern. Die eine Definition von Erziehungsstilen gibt es nicht. Geht man davon aus, dass niemand seinem Kind absichtlich mit unbrauchbaren Maßregelungen und überzogenen Regeln Einhalt gebieten möchte, darf man die Frage stellen, was denn einen fördernden Umgang ausmacht und wie man sein Kind heute auf die Welt von morgen vorbereiten kann. Nicht immer ist dabei die starre Anlehnung an einen Erziehungsstil die passende Entscheidung und ein Wundermittel für eintretende Familienungereimtheiten. Vor allem, wenn die Ziele schwammig sind und die Lösung eines Problems nicht auf der Hand liegt. Entscheiden Eltern sich für einen Erziehungsstil, der sich prächtig anhört, jedoch nicht zu Ihnen, liebe Eltern, passt, laufen Sie immer Gefahr, Ihre authentische Haltung zu verlieren. Denn wenn Erziehungsstile versprechen, dass man mit einer Art Gebrauchsanweisung an die täglichen Familienherausforderungen herantreten kann, wird man als Eltern meist enttäuscht. Wenn Kinder ein Verhalten X zeigen, gibt es in den seltensten Fällen die perfekte Lösung Y. Dabei misst man sich ständig selbst daran, wie gut man die Regeln und Grenzen setzen kann, die ein Erziehungsstil vorgibt. Womöglich gewährt der gewählte Erziehungsstil Freiräume, obwohl man womöglich gerne anders reagiert und gehandelt hätte. Eine besondere Herausforderung unterschiedlicher Erziehungsstile ist die fehlende Klarheit von Werten, die diese vermitteln sollten. Zeigt das Kind ein für die Eltern unangebrachtes Verhalten, wird meist interveniert. Doch was lernen Kinder von solch Gesprächen über richtig und falsch? Welche Werte sollen sie aus Maßregelungen und Konsequenzen ziehen? Die meisten Handlungen ohne Werte führen zur Orientierungslosigkeit und Verwirrung und zeugen von fehlendem Vertrauen. Werte zu besitzen bedeutet vor allem, Orientierung im Miteinander zu geben, dadurch dass man die Führung übernimmt und vermittelt, was man selbst für sich als wichtig ansieht. Mithilfe einer selbst aufgestellten Werteerziehung wird auf natürlichere Weise ein wirkungsvolles Handeln vonseiten des Kindes ersichtlich. Natürlich heißt das nicht, dass nun alles wie am Schnürchen verläuft, doch es heißt, dass man selbst weiß, wohin die Reise geht.
Autorität oder Laisser-faire?
Agiert man als Eltern zu autoritär, hemmt man den kindlichen Eigenimpuls. Bei zu wenig Orientierung und fehlender Rückmeldung von richtig und falsch fehlt es Kindern an einer Richtschnur. Kinder wollen in ihrer Eigenart akzeptiert werden, wollen auf ein offenes Familienklima treffen, das sich nur dann findet, wenn Eltern sich ihrer authentischen Haltung bewusst sind. Sobald sie wissen, dass sie trotz kommender Herausforderungen und Fehler, die sie machen werden, geliebt werden, entwickeln Kinder Selbstbewusstsein und Vertrauen. Dafür bedarf es keiner Strenge und keiner übertriebenen Maßregelungen, sondern Familienwerten, die vorgelebt werden.
Bei einem Besuch eines Kindergartens haben wir in Anwesenheit vieler Eltern, eine Frage gestellt:
Was wollen Sie Ihrem Kind auf den Weg mitgeben? Selbstverständlich, dass dabei nicht identische Aussagen fallen. Jeder gewichtet unterschiedlich und blickt durch die Brille seiner eigenen Vorstellungen auf Erziehungsfragen. So teilte uns eine Mutter folgendes mit:
- "Ich habe als Kind nie gelernt zu teilen, ich bin Einzelkind, das hat mich lange etwas egoistisch in Beziehungen und Freundschaften leben lassen. Ich will, dass mein Kind lernt wie man teilt. Was bringt es alles für mich zu behalten, wenn mein Partner, Freund oder Kollege nicht daran beteiligt ist?" (Werteerziehung: Höflichkeit, Großzügigkeit)
Betrachten wir nun folgende Aussage eines jungen Vaters, der uns zu einem Interview bereitstand:
- "Meine Tochter wird sich durchsetzen, sie soll lernen sich zu behaupten. Das Leben wird nicht leichter, ich will ihr Stärke zeigen - in dieser Welt wird einem nichts geschenkt." (Werteerziehung: Durchsetzungsvermögen, Selbstbewusstsein)
Der Unterschied beider Aussagen ist leicht zu durchschauen. Die uneinheitlichen -eigenen- Erfahrungen führen uns zu unseren verschiedenen Erziehungsansichten und deshalb zu gemischten Erziehungsaufgaben. Einig sind sich dennoch die meisten Eltern, wenn es darum geht sich zu entscheiden Was Erziehung leisten soll und kann. Später werden wir auf die Werte die Eltern in sich tragen zurückkommen. Wir werden uns dann auch Gedanken über die eigenen Werte machen auf dem Weg zu unserer eigenen Werteerziehung.
Das wünschen sich Eltern für ihre Kinder:
Vodafone Stiftung Deutschland Düsseldorf, März 2015 / Basis: Bundesrepublik Deutschland, Eltern von Schulkindern an allgemeinbildenden Schulen
Erziehungsstile
Falls Sie als Eltern interessiert sind an den Klassifizierungen der gängigsten Erziehungsstile, finden Sie in folgendem Aufklapptest eine Auflistung. Wir werden jedoch versuchen, uns ein eigenes Bild Ihrer Erziehung zu zeichnen, aufgebaut auf Ihren Familienwerten und Vorstellungen eines liebevollen Miteinanders. Die bevorzugteste Erziehungsvariante der Moderne ist der demokratische oder autoritative Erziehungsstil. Dieser Erziehungsstil ist unter unseren hier dargestellten auch der nachweislich förderlichste für eine gesunde Entwicklung.
Der autoritäre Erziehungsstil
Autoritäre Haltung (Beispielaussage: „Immer wenn ich meinem Kind sage, dass es etwas tun soll, dann erwarte ich, dass dies sofort und ohne Widerrede geschieht.“)
Strenge Regeln, konkrete Anordnungen, ein System aus Strafe und Belohnung dominieren diesen Erziehungsstil. Die Erziehungsberechtigten bestimmen, was zu tun und was zu unterlassen ist. In dieser hierarchischen Struktur, bei dem der Vater oft eine dominante Rolle spielt, haben die Kinder so gut wie kein Mitbestimmungsrecht. Ihre Wünsche und Bedürfnisse werden kaum berücksichtigt.
Vorteile:
Wie beim autokratischen Erziehungsstil sind hier kaum positive Auswirkungen auf das Kind erkennbar. Allerdings erfährt es durch die festgelegten Regeln und Verbote eine gewisse Sicherheit.
Nachteile:
Wie beim autokratischen Erziehungsstil werden die Kinder nicht zur Selbstständigkeit erzogen. Kreativität und Fantasie werden nicht gefördert, da die Eltern die Aktivitäten der Kinder bestimmen. Das Kind kann kein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln. Durch die Einschränkung der persönlichen Entwicklung können später aggressive und egozentrische Verhaltungsweisen auffallen oder es entwickeln sich Depressionen und Minderwertigkeitsgefühle.
Der antiautoritäre Erziehungsstil ist das Gegenteil der autoritären oder gar autokratischen Erziehung. Seit Beginn der Studentenbewegung ab 1968 wurde der autoritären Kindererziehung, die Verbote und Strafen zur Grundlage hat, eine Erziehung ohne Zwänge entgegengesetzt. Antiautoritäre Erziehung bedeutet jedoch nicht, dass das Kind überhaupt keine Grenzen kennenlernt. Es erfährt diese jedoch nicht durch Verbote und Strafen, sondern durch eigene Erfahrungen. Die Kinder erlernen Selbstvertrauen und erfahren Wertschätzung, erleben einen großen Spielraum für eigene Entscheidungen ohne Gängelung durch die Erziehungsberechtigten. Die Kinder lernen, selbst Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen.
Vorteile:
Die Persönlichkeit des Kindes, das Selbstvertrauen und die Entscheidungsfreiheit werden gefördert. Durch die angstfreie Erziehung entwickelt sich das Vertrauen in die eigenen Stärken. Kreativität und Fantasie werden gestärkt. Das Kind fühlt sich angenommen und wertgeschätzt.
Nachteile:
Dieser Erziehungsstil wird oft mit dem Laisser-faire-Prinzip gleichgesetzt. Es wird befürchtet, dass diese, ohne Grenzen aufgewachsenen Kinder, zu Egoisten heranwachsen. Antiautoritäre Erziehung ohne Grenzen kann auch dazu führen, dass die Grenzen anderer nicht akzeptiert werden.
Autoritative/demokratische Haltung (Beispielaussage: „Wenn in unserer Familie einmal bestimmte Regeln eingeführt wurden, erkläre ich meinem Kind den Sinn und Zweck dieser Regeln und diskutiere mit ihm darüber.“)
Der demokratische Erziehungsstil zeichnet sich dadurch aus, dass das Kind den Eltern nicht untergeordnet ist, sondern gleichberechtigt mitentscheiden kann. So wird das Kind zur Eigeninitiative und Selbstständigkeit erzogen. Die Eltern erteilen keine Befehle, sondern unterbreiten Vorschläge, die die Wünsche aller Beteiligten berücksichtigen. Die Basis ist also nicht Befehl und Gehorsam, sondern Kommunikation und Vertrauen.
Vorteile:
Durch die Akzeptanz und Liebe, die das Kind durch die Eltern erfährt, entwickelt sich ein stabiles Selbstvertrauen. Durch die emotionale Ausgeglichenheit und den Glauben an die eigenen Fähigkeiten kann sich später eine große Leistungsbereitschaft entwickeln. Das Vertrauen, das das Kind durch die Eltern erfahren hat, überträgt sich auf andere Menschen.
Nachteile:
Das Praktizieren des demokratischen Erziehungsstils kann hin und wieder zeitraubend und lästig sein, denn die Eltern befehlen nicht, sondern diskutieren mit dem Kind. Aber ist das wirklich ein Nachteil?
Bei dieser übersteigerten Form des antiautoritären Erziehungsstils fallen die Eltern durch ihre Passivität auf. Das Kind bleibt sich weitgehend selbst überlassen. Es erfährt keinerlei Orientierung und Sicherheit. Der stabile Rahmen, der eine verantwortungsvolle Erziehung ausmacht, fehlt völlig. Oftmals besteht der Verdacht der Vernachlässigung.
Vorteile:
Vorteile scheint es nur für die Eltern zu geben, denen die Entwicklung des Kindes egal ist.
Nachteile:
Kinder, die im Laisser-faire Stil „erzogen“ wurden, werden später erhebliche Beziehungsschwierigkeiten haben. Ihnen fehlt das Gefühl für Nähe und Distanz. Durch die emotionalen Defizite während ihrer Kindheit werden sie später große Schwierigkeiten haben, sich anzupassen.
Authentisch bleiben, Sie selbst sein!
Stellen Sie sich Folgendes vor:
Sie sind bei Ihrer Familie zum Essen eingeladen und wie immer war das, was zu Tisch gebracht wurde, ausgesprochen lecker. Sie lassen es sich nicht nehmen, nach dem Rezept zu fragen. Zwischen Tür und Angel gibt es ein paar Tipps und Handlungsanleitungen, wie das Rezept gelingen sollte. Es scheint ganz einfach zu sein. Etwas davon, noch ein paar Gewürze und fertig. Wer schon einmal versucht hat, ein solches Rezept nachzukochen, wird Folgendes bemerken:
Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es nicht genau so schmecken. Bei der Erziehung und den verschiedenen Erziehungsstilen ist es ähnlich. Denn jede/r hat ihre/seine eigenen Handgriffe, die sie/er meist selbst nicht wahrnimmt. Persönlichkeitsstrukturen und Verhaltensweisen, die den Unterschied machen können. Kleine Details und die feine Nuance Individualität, Freigeist und Charakter werden hinzugefügt. Folgende Botschaft ist in jeder Erziehung sehr wichtig:
Bleiben Sie Sie selbst!
Die wichtigste Einstellung zu Ihrem Kind ist die authentische, die emotional warme, die, die auch Fehler eingesteht. Sie zeigt Kindern, dass auch Eltern nicht vollkommen sein müssen. Sondern Menschen mit Grenzen, die auch mal erschöpft sind, und dies offen kommunizieren können. Dafür bedarf es einer authentischen Haltung. Wenn Sie als Eltern verzeihen und Fehler auch einräumen können. Vor allem im Umgang mit Kindern, die einem schnell aufzeigen, wenn etwas nicht ganz rundläuft, braucht es authentische Gespräche, die sich nicht darum bemühen Gehorsamkeit einzufordern, sondern die Möglichkeit eröffnen Kompromisse zu finden. Hierunter versteckt sich klare und warme Kommunikation auf Augenhöhe und ein herzliches Familienklima, welches nur dann seine Früchte trägt, wenn alle Parteien sie selbst sein dürfen. Ein Verstellen oder Anpassen an einen Erziehungsstil, der nicht zu einem selbst passt, nur weil er womöglich für andere Familien funktioniert, wird für die meisten Eltern zur Zerreißprobe.
Denkanstoß:
Sich vor Augen zu führen, welche Bereiche einem Schwierigkeiten bereiten und für welche Werte man einstehen möchte, führt zu einer stärkeren Beziehung zum Kind, als sich an strikten Erziehungsstilen entlangzuhangeln. Hierzu wollen wir Sie ermutigen. Sie sind so, wie Sie sind, bereits die besten Eltern für Ihr Kind, machen Sie sich dies stets bewusst – es wird Ihnen helfen zu erkennen, dass Sie und Ihr Kind aufeinander eingestimmt sind, gleichgestellt und auf Augenhöhe. Sie beide erlernen die Strukturen eines gemeinsamen Familienlebens. Was wir also brauchen, ist ein Himmel, unter dem wir stehen, ein Himmel aus Werten – Grundsätzen und einer passenden authentischen Haltung.
Die Rolle von Eltern besteht darin, die Autonomie ihrer Kinder zu stärken, damit sie Vertrauen in sich selbst bekommen. Kinder, die sich durch Ihre persönliche Erziehung bedeutsam fühlen, dürfen sich glückliche Kinder nennen.
Auf der Spur kindlicher Bedürfnisse finden wir eine Anleitung für unsere Erziehung.
Der Wunsch nach Nähe zu vertrauten Personen und das Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz gehören ebenso dazu wie der Drang, Neues zu erleben und die Welt zu erkunden. Wenn Kinder auf die Welt kommen, sind sie auf ihre elterliche Zuwendung angewiesen, aber beileibe keine hilflosen Lebewesen ohne jegliche Fähigkeiten. Unsere Bedürfnisse sind von Geburt an in uns verankert und begleiten uns ein Leben lang. Gefragt sind hier im Besonderen die Bedürfnisse von Kindern und die der dazugehörigen Frage: Welche Bedingungen müssen vorherrschen zur Bedürfnisbefriedigung? Vor allem die, die zur kognitiven, emotionalen und körperlichen Entwicklung beitragen.
Wir wünschen uns, dass unser Kind sich zu einer:
- aufgeschlossen,
- selbstbewussten,
- lernbegeisterten,
- gemeinschaftsfähigen,
neugierigen und lebensfrohen Persönlichkeiten entwickelt. Dabei stellen wir eine zentrale Frage: Gibt es einen Maßstab für eine – gute – Erziehung?
Erziehung trägt eine Grundformel in sich, die sich an den kindlichen Bedürfnissen entlanghangelt. Ein nahrhafter Familienboden bringt die schönsten Blumen, Sträucher und Bäume empor – auf einem kargen Boden finden sich auch einige Pflanzen, doch ist er in seiner Vielfältigkeit eingeschränkt.
Unser nahrhafter Familienboden besteht aus folgenden kindlichen Bedürfnissen:
- beständige liebevolle Beziehungen,
- körperliche Unversehrtheit, Sicherheit und Regulation,
- Erfahrungen, die auf individuelle Unterschiede zugeschnitten sind,
- entwicklungsgerechte Erfahrungen,
- Grenzen und Strukturen,
- stabile, unterstützende Gemeinschaften.
Kinder benötigen die Nähe ihrer Eltern, um ihr Wohlbefinden zu regulieren, das heißt, sie sind in vielfacher Weise abhängig davon, wie ihre Eltern mit ihren Bedürfnissen umgehen. Die Bezugspersonen eines Kindes dienen als emotionale Basis, von der die Welt aus entdeckt wird. Wir werden bereits im Kontinent der Bedürfnisse auf die oben genannten Punkte spezifischer eingehen und Sie werden erfahren, was darunter zu verstehen ist (siehe Kontinent der Bedürfnisse: Grundbedürfnisse).
Umwelteinflüsse prägen Kinder in ihrer Entwicklung.
Die Interaktion zwischen Eltern und Kind formen die Entwicklung tagtäglich mit. So sind es nicht nur die Gene, die das kindliche Veralten anleiten und ausbilden. Einige Untersuchungen bestätigen, dass eine anregende emotionale, spielerische und warmherzige Umgebung das Gehirn eines Kindes auf eine andere Weise vernetzt, als dies eine autoritäre tun wird. Sprich eine feinfühlige Umwelt formt die kindliche Entwicklung auf eine andere Weise, als dies eine autoritäre und auf unterschiedliche Machtverhältnisse ausgelegte Erziehung kann. Kinder machen durch die Reibungserfahrungen innerhalb der Familie wichtige Erfahrungen, die ihr Leben begleiten. Gelernt wird dann, wenn im Rahmen wertschätzender Sozialkontakte positive Erfahrungen gemacht werden. Eine Alternative dazu gibt es nicht. Genauso, wie es nicht möglich ist, nicht zu kommunizieren, ist es auch nicht möglich, dass Eltern, Erzieherinnen und Erzieher oder Lehreinnen und Lehrer ein Kind nicht prägen und nicht in seinem Lernverhalten beeinflussen. In den Erziehungswissenschaften spricht man von funktionaler Erziehung, die durch unbeabsichtigte Nebenwirkungen der Erziehung das Kind prägt. Das, was Kinder in ihrer Umwelt erleben und sich dort abschauen, ist ein großer Teil der Familienlandschaft und formt ihre persönliche Entwicklung mit. Hierbei zeigt sich die Wichtigkeit der Rolle als Vorbild, ein Thema, das Sie ebenfalls in diesem Kontinent finden. Selbstredend sind es nicht nur die Eltern, die Kinder prägen, auch die Kindergartenzeit, Schule und Freundinnen und Freunde werden zum Teil Kinder in ihrer Erfahrungswelt begleiten.
„Wie groß schätzen Sie den erzieherischen Einfluss auf Kinder im Allgemeinen ein?“
Quelle: FIG-Studie des ifb, IFP und der LMU 2008
Werte und Grundsätze finden
Aus diesem Zusammenspiel heraus wächst Ihre Erziehung und verbindet sich mit dem Wunsch von Ihnen, Ihr Kind Richtung eigenständiger Persönlichkeit zu begleiten. Wir wollen gemeinsam mit Ihnen ein verlässliches Verständnis dafür bekommen, was Sie später Ihre Einstellung zu Ihrem Kind und der Erziehung nennen können.
- Welche Werte möchte ich meinem Kind vorleben?
- Welche Grundsätze möchte ich innerhalb meiner Familie leben?
- Welche Haltung nehme ich gegenüber meinem Kind ein?
- Passen diese zu den Bedürfnissen meines Kindes?
Werte vermitteln von Anfang an eine Art Leitfaden des Lebens. Durch sie erfährt Ihr Kind die Grundeinstellung seiner Umgebung. Werte bilden die Grundlage einer jeden Gemeinschaft. Die Vermittlung von Werten ist, wie Sie noch erfahren werden, auch daran gebunden, wie Sie gemeinsam mit Ihrem Kind interagieren. Was Sie vorleben und wie Sie mit Begriffen wie Höflichkeit, Vertrauen, Mut, Toleranz oder Respekt umgehen. Hier dreht es sich um Einstellungen wie Optimismus oder den Umgang mit Konsum und Materialismus. Viele dieser Eigenschaften bekommen den ersten Anstrich im Elternhaus. Wir werden im Land des Vorbildes sehen, dass dabei das Nachahmen weit vor dem liegt, was Kindern gesagt wird. Sprich das, was Kinder sehen und erleben, hat größere Auswirkungen auf ihr Verhalten als das, was Kinder hören. Kinder sind sehr handlungsorientiert und werden erst im Laufe ihrer Entwicklung sich hieraus lösen. Das Motto der Kinderjahre wird somit auch:
Wer vorgeben will, möchte vorleben
Allgemein werden in der heutigen Gesellschaft oft Regeln entwickelt, ohne dass die Werte dahinter für Kinder eindeutig definiert oder erklärt sind.
Beispiele:
- Wegwerfverhalten: Wir werfen keinen Müll in die Natur, sie ist schützenswert.
- Sparsamkeit: Wir lassen das Wasser nicht aus dem Hahn laufen, wenn wir es gerade nicht benötigen.
- Gemeinschaft: Was anderen gehört (Freunden, der Gemeinschaft) soll behutsam behandelt werden, wir wollen respektvoll damit umgehen.
Dank solcher „Regeln“ lassen sich Orientierung und Wertevermittlung einführen. Hierauf bauen Sie Familienwerte auf – eine eigene Familienkultur.
- Ich möchte meinem Kind zeigen, wie man auf andere Menschen zugeht, ihnen die Hand reicht und höflich ist – Freundlichkeit.
- Ich will selbst wieder neugieriger sein und gemeinsam mit meinem Kind noch einmal etwas entdecken, woran wir beide Freude gewinnen – Neugierig sein.
- Ich zeige meinem Kind, wie man auf Menschen eingeht, egal welcher Herkunft – Toleranz.
- Ich möchte meinem Kind zeigen, dass man Genügsam leben kann – Dankbarkeit.
- Ich behandle dich so, wie ich selbst behandelt werden möchte – Fairness.
Erziehung heißt Veränderung.
Auf der Suche nach der richtigen Erziehungsmethode vermischen wir oft die verschiedensten Dinge miteinander. Sich zuzutrauen seinen eigenen Stil zu finden, seine eigene authentische Persönlichkeit in die Mitte der Familie zu tragen, trauen sich die wenigsten. Sich zuzutrauen die Führung zu übernehmen und trotz allem auf Augenhöhe zu sein, ist jedoch möglich, definiert man die Werte einer Familie. So wird Erziehung als Begriff von Ihnen als Eltern genauso als veränderbar angesehen werden können wie die Entwicklung Ihres Kindes. Von Lebensjahr zu Lebensjahr warten neue Herausforderungen, neue Entwicklungstreppen werden von Kindern erklommen und genauso vielfältig, wie sich diese Stufen nach oben entwickeln, genauso anpassungsfähig muss der Begriff Erziehung angesehen werden. Deshalb sind die Werte, die Eltern für sich benennen, die Wegweiser ihrer Erziehung, die stets Stabilität aufweisen. Wenn Eltern diese Werte hochhalten, dürfen sie auch fehlerhaftes Verhalten vonseiten ihres Kindes auf diese Werte zurückführen und dies kommunizieren.
„Ich möchte, dass du mich nicht anlügst, mir ist Ehrlichkeit sehr wichtig – ich werde auch immer ehrlich zu dir sein.“
Da dies keine leichte Aufgabe ist, ist es die Aufgabe der gemeinsamen Entwicklung, diese Werte immer wieder zu definieren und zu erweitern. Dies schenkt nachweislich Sicherheit, denn „zu wissen und zu spüren“, worauf es einem selbst ankommt, schenkt Orientierung. Fehlen diese Werte, ist in Konfliktsituationen selten eine langfristige Lösung zu finden. Wir werden im Kontinent der Kinder: Moral und Werteentwicklung darauf eingehen, wie Kinder sich einer solchen Wertewelt öffnen und sich daran entlanghangeln.
Nachfolgend finden Sie eine Auflistung von uns ausgesuchter Werte, die Ihnen als Anleitung dienen kann und jederzeit erweitert werden darf. Sie dient als Anleitung und kann dafür dienen sich noch einmal Gedanken darüber zu machen, welche Werte ihre Familie groß schreiben will.
Erziehungsgrundsätze - eine "grundsätzliche" Haltung:
Ich möchte meinem Kind zeigen, dass es immer zu mir kommen kann. Dafür muss ich mir selbst über etwas im Klaren sein:
- Wie reagiere ich, wenn es tatsächlich zu einem „unschönen“ Vorfall kommt?
- Wie reagiere ich, wenn mir mein Kind davon erzählen würde?
- Habe ich ein offenes Ohr für Sorgen und Probleme?
- Auch dann, wenn Kinder unanständig waren?
- Im Allgemeinen Zusammengefasst: Wie ist meine grundsätzliche Haltung bei Vorkommnissen?
Diese Grundsätze können meist erst im Laufe der Entwicklung verfeinert werden. Wichtig ist, im Hinterkopf zu behalten, dass die Grundsätze verinnerlicht werden und somit stets eine Leitlinie bilden im Umgang zwischen Eltern und Kind.
Aus diesem Verhältnis zu den Bezugspersonen finden ihre Kinder den Zugang zur Wirklichkeit. Und halten wir uns einmal vor Augen wie vielfältig diese sein kann, stellen wir fest, dass es ein spannender Gedanke ist zu bemerken, dass wir mitverantwortlich für die Denk und Gefühlswelt unserer kleinen Wesen sind.
Es ist ein ständiges Wechselspiel zwischen innerem Verlangen zu wachsen und äußeren Einflüssen die uns dabei unterstützen oder hemmen. Viele Eltern mögen dies aufaßen und als große Bürde betrachten, doch ist die Schönheit der Chance nicht das was uns antreiben sollte?
Ainsworth, M. D. (1978/2008): Patterns of Attachment: A Psychological Study of the Strange Situation. New York: Erlbaum, Hillsdale.
Bornstein, M. H. (Hrsg.) (2002): Handbook of Parenting: Practical Issues in Parenting. Bd. 5. 2. Aufl. Erlbaum, Mahwah.
Borke, J./Keller, H. (2013): Kultursensitive Frühpädagogik. Stuttgart: Kohlhammer.
Clarke-Stewart, A./Allhusen, V. D. (2005): What We Know About Childcare. The Developing Child. Cambridge: Harvard University Press.
Eshel, N., Daelmans, B., Cabral Mello, M. de & Martines, J. (2006). Responsive parenting: Interventions and outcomes. Bulletin of the World Health Organization, 84, 992-999.
Naturpädagogin,
Familienpflegerin