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7 | Kontinent der Konflikte

7.2 Aggression und Wut

Lesezeit: ca. 13 Minuten
Überblick
Kinder möchten lernen mit ihren negativen Gefühlen umzugehen

Keine zehn Minuten auf dem Spielplatz, schon beginnt das ganze Theater. Der dreijährige Simon verliert die Fassung und wirft sein Spielzug seinem zuvor tolerierten Spielfreund hinterher. Nicht nur dass dessen Mutter natürlich auch nicht von Simons Verhalten begeistert ist, fühle ich mich dazu gezwungen Simon zu belehren. Doch in solchen Momenten will er nicht hören, kein Wort. Es macht dann auch keinen Sinn ihn zu ermahnen oder nach Hause zu schleppen. Es scheint, als würde er nicht verstehen, was ich überhaupt von ihm verlange.

Kinder sind in den ersten Lebensjahren ihren Gefühlen und Instinkten ausgeliefert. Eigene Impulse zu kontrollieren, aber auch Aggressionen und Wut zu begreifen und zu regulieren, sind erlernte Fähigkeiten. So zeigt fast jedes Kind in seiner Entwicklung aggressive Verhaltenszüge, was in den meisten Fällen eine ganz normale Entwicklung ist. Kinder lernen erst, wie sie mit aufstrebenden negativen Gefühlen umgehen können. Verläuft etwas nicht nach den Vorstellungen eines Kindes, bekommt es keine Aufmerksamkeit oder ist es frustriert, gilt es die Hintergründe eines solchen Verhaltens zu hinterfragen. Wenn das Kind schubst, beißt, kratzt oder gar schlägt, steckt dahinter immer eine Ursache. Kinder zeigen ihren Eltern durch ein solches Verhalten, dass sie Hilfe suchen und noch nicht wissen, wie sie sich gerade verhalten sollen. Die Aggressivität ist ein Entwicklungsbaustein, der zum menschlichen Leben dazugehört. Auch Kindern wohnt dieser angeborene Trieb inne. Funktioniert etwas nicht so, wie sie sich das vorgestellt haben, kochen die Gefühle, und allzu gerne lassen sie dann auch ihre Wut an dem Gegenstand aus, der ihnen ihr Gefühlschaos eingebrockt hat. Doch auch auf andere Kinder oder die eigenen Eltern kann sich dies auswirken. Umso jünger ein Kind, desto eher hilft es sich solchen Angriffen zu entziehen, die Spielpartner zu trennen oder den Gegenstand wegzunehmen. Erst mit zunehmender Reife gibt es weitere Möglichkeiten, um dem Kind zu zeigen, wie es mit negativen Gefühlen umgehen kann. Diese Reise gehen wir in diesem Land gemeinsam.

Konflikte als Erfahrungsraum

Führt man sich den Entwicklungsstand eines Kindes vor Augen, entdecken wir entscheidende Entwicklungsverläufe für ein Verständnis von Richtig und Falsch. Ein Kind unter drei Jahren wird den Schmerz, den es einem anderen Kind zufügt, nicht mit dem Mitgefühl nachempfinden, wie dies einem fünfjährigen Kind möglich ist. Kinder sind in jungen Jahren noch in einer egozentrischen Perspektive. Es geht dem Kind erst einmal darum, seinen Besitz und sein Eigentum, seine Gedanken und Vorstellungen zu verteidigen und als einzige Handlungsform anzusehen. Geraten dann Kinder in einen inneren Konflikt, äußern sie ihre Wut häufig durch aggressives Verhalten. Schlagen und Beißen steht dann im kindlichen Ausdruck für „Nein, das ist meins, Finger weg“. Große Erklärungen werden zum Verständnis des Kindes nicht beitragen, denn Einsicht in die Gefühlswelt eines anderen Menschen haben Kinder noch nicht. Für das Kind selbst ist das Verhalten nicht falsch, es wehrt sich lediglich. Um Moralvorstellungen zu entwickeln, braucht es meist noch ein bis zwei Jahre. Heute weiß man, dass sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen einen Reifungsprozess voraussetzt, den Kinder im Alter von vier bis fünf Jahren durchleben (siehe Kontinent der Kinder: Land Empathie).

Entwicklung Verhalten
Nach der Geburt bis zum sechsten Lebensmonat:
Ein Baby ist nicht wütend oder verärgert. Wenn Babys schreien oder weinen, machen sie meist aufgrund ihrer Bedürfnisse auf sich aufmerksam. Ist ein Baby zu vielen Reizen ausgesetzt, müde oder hungrig, äußert es sich lautstark. Es macht dann jedoch viel mehr auf seine Bedürfnisse aufmerksam, als dass es sich wütend zeigt. Ein Baby braucht deshalb stets die Unterstützung der Eltern, um aus seinen Unruhezuständen zu entkommen. So lernt es auch, dass aufkommende negative Gefühlszustände nicht von Dauer sein müssen.
Ab dem 18. Monat bis 24. Monat:
Der eigene Wille erwacht zunehmend. Es zeigt sich, dass im Köpfchen des Kindes die ersten Prozesse beginnen, sich mit seinen eigenen Vorstellungen und Wünschen auseinanderzusetzen. Ein jedes Mal, wenn ein solcher Gedanke an der elterlichen Entscheidungsmacht zerschellt, ist Wut oder Frust eine natürliche Reaktion des Kindes. Selbstredend ist auch das Temperament des Kindes ausschlaggebend für das Ausmaß der Gefühlsstürme. Ein zweijähriges Kind wird immer selbstständiger und fordert seine Selbstständigkeit auch oft ein, jedoch stecken die emotionale Entwicklung und die Kontrolle über diese Emotionen noch in den Kinderschuhen.

Doch damit endet die Entwicklung nicht. Seine Gefühle zu kontrollieren und angemessen zu reagieren, ist eine lebenslange Aufgabe, die wohl nie ganz abgeschlossen sein wird. Wut zu empfinden ist keine außergewöhnliche Sache. Kinder befinden sich noch eine ganze Weile auf Kurs Richtung Emotionskontrolle (siehe Kontinent der Kinder: Land der Emotionalen Intelligenz), bis sie lernen, mit ihren Gefühlsausbrüchen umzugehen. Das Leben besteht aus unzähligen einzelnen Momenten, auf die man nicht immer direkt eine passende Reaktion zu Händen hat. Kinder lernen mit ihren negativen Gefühlen wie Wut, Trotz und Trauer erst umzugehen und brauchen hierfür vielfältige Erfahrungen, die letzten Endes auch häufig nur im Konflikt zu erlernen sind. So sind negative Gefühle erst einmal nichts Ungewöhnliches und gehören genauso in das Repertoire eines Kindes wie der Wunsch nach Geborgenheit. Wie Kinder so ziemlich alles erlernen, was wir bereits wissen, brauchen sie auch eine enge Begleitung durch ihre Gefühlslandschaften. So wie Kinder das Laufen und das Sprechen lernen, so lernen sie auch ihre Emotionen zu regulieren. Sie verstehen nach und nach, dass nicht jedes Bedürfnis und jeder Wunsch, der sich in ihren Köpfchen zusammenbraut, auch von den Eltern oder ihrem Spielfreund erfüllt wird. Diese Spannung zwischen dem Wunsch etwas zu tun, dem Willen etwas zu bekommen, und dem Nein der Eltern ist für Kinder oft Grund genug, ihre Beherrschung zu verlieren. Dann gilt es einen kühlen Kopf zu bewahren. Mit dem richtigen Verständnis über Aggressionen und Wut haben wir die Möglichkeit, sensibel auf ein solches Verhalten zu reagieren – nicht alles anzunehmen, aber zu verstehen, was die Hintergründe des kindlichen Verhaltens sind. Denn häufig entsteht aggressives Verhalten auch dadurch, dass Kinder sich mitteilen wollen:

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Expertentipp
Prof. Dr. Dr. Hartmut Kasten

Entwicklungspsychologe, Frühpädagoge und Familienforscher

Ab wann haben Kinder ein Verständnis von „gut“ und „böse“, von „Besitz“ und „Eigentum“, von „richtig“ und „falsch“?
Im ersten Lebensjahr ist für Kinder Kontinuität entscheidend. Alles was Mama und Papa dem Kind bringen oder mit ihm tun, ist für das Verständnis des Kindes „richtig“. Im zweiten Lebenshalbjahr entdecken Kinder allmählich ihr eigenes „Ich“. Dies zeigt sich mitunter daran, dass sie ihr Spiegelbild nicht mehr als einen Spielpartner ansehen, sondern erkennen: „Das bin ja ich“. Sie fassen sich dann in die Haare oder benutzen bereits den eigenen Namen. Dies ist eine ganz zentrale Entwicklung für ein moralisches Verständnis. Kinder machen dann ihre ersten Erfahrungen, brauchen jedoch noch einige Zeit, bis sie sich aus dieser Phase herausbewegen.

Gibt es Voraussetzungen für eine solche Entwicklung?
Erst mit Vollendung des vierten Lebensjahres bis hin zum fünften und sechsten Lebensjahr tritt nochmal ein Reifungsschub ein. In dieser Zeit ist auch der Temporallappen im Gehirn großer Veränderung unterworfen. Dann entwickelt sich auch das, was wir gerne Reflexionsvermögen nennen. Die Position seines Gegenübers einzunehmen, sprich sich in die Lage anderer zu versetzen. Auf diesem Verständnis aufbauend sammeln Kinder ihre ersten Erfahrungen über moralisches Verständnis. Sie können dann nach und nach Strategien entwickeln, um anderen zu helfen, sich zu verteidigen oder zu verhandeln.

Wie begleiten Eltern eine solche Entwicklung?
Zum Ende des dritten Lebensjahres, dann wenn Kinder bereits erste kontinuierliche Erfahrungen auch im Zusammenspiel mit anderen Kindern erfahren haben, wachsen die Möglichkeiten sich mit seinem Kind über verschiedene Bereiche, wie das Teilen des Spielzeuges, zu unterhalten. Die meisten Kinder machen das dann auch, dem Erwachsenen zuliebe. Ab dem vierten und fünften Lebensjahr können sie sich verstärkt in die Gefühlswelt ihres Gegenübers hineinversetzen, was als wichtige Voraussetzung dafür gilt ein moralisches Verständnis zu entwickeln. Dies zeigt sich auch dadurch, dass Kinder dann verstehen, dass das, was sie wissen, kein anderer weiß – dann flunkern sie sogar manchmal.

Können Eltern dann ab diesem Alter von ihrem Kind ein moralisches Verständnis erwarten?
Die Vorbildfunktion der Eltern ist dabei nicht zu unterschätzen. In vielerlei Hinsicht orientieren sich Kinder auch an dem, was ihre Eltern tun und wie diese sich in bestimmten Situationen verhalten. Wenn die Eltern einfühlsam sind, ihr Kind trösten und ihm feinfühlig zur Seite stehen, hat es auch das Kind leichter ein solches Verhalten im Miteinander zu zeigen. Was Kinder bereits im Kindergartenalter verstehen können im Zusammensein mit anderen Kindern, lehren die meisten Erwachsenen noch heute:

„Was du nicht willst, dass man dir tu‘, das füg auch keinem andern zu.“

Aggressives, wütendes oder trotziges Verhalten hat erst einmal nichts mit schlechter Erziehung zu tun

Die verschiedenen Phasen, die Kinder durchlaufen, um sich ihren Emotionen zu stellen, sind Teil ihrer Entwicklung. Bereits im zweiten bis dritten Lebensjahr ist der freie Wille des Kindes immer wieder verstärkt zu erkennen. Dann wird schnell aus dem friedlichen Spiel eine emotionale Tour durch Wutanfälle. Das heißt jedoch nicht, dass das Kind ungehorsam ist und sich nicht benehmen kann. Kinder müssen ihre Entwicklungstreppen gemeinsam mit ihren Eltern und ihren Mitmenschen emporsteigen. Dabei sind Kinder ganz natürlichen genetischen Unterschieden unterworfen. Während das eine Kind zurückhaltend und schüchtern agiert und reagiert, kann sein Geschwisterchen ein Draufgänger bzw. eine Draufgängerin sein. Kinder sind in ihren Verhaltensäußerungen immer individuell anzusehen. Und die elterliche Aufgabe besteht darin, aggressives Verhalten nicht von vornherein als „böse“ anzusehen. Geduld und Einfühlungsvermögen sind weitaus hilfreicher, als sein Kind als aggressiv abzustempeln, was in den meisten Fällen nur zu weiteren Konflikten führt. Es braucht eine Kindheit lang, um zu lernen, was die Eltern meinen, wenn sie sagen:

Wichtig ist, dass Kinder lernen ihr Verhalten einzuordnen. Deshalb ist es ratsam, die Konsequenzen des Fehlverhaltens direkt im Anschluss anzubringen. Es sollte also immer einen klaren Bezug zur Tat haben. So ist es beispielsweise nicht hilfreich, nachdem das eigene Kind ein anderes gehauen hat, das Eis am Nachmittag auszuschlagen. Eine Konsequenz muss immer direkt folgen, damit Kinder auch den Bezug zu ihrem Verhalten erkennen, ansonsten greifen wir nur das Selbstbewusstsein des Kindes an. Das Spiel zu beenden, nachdem es sich nicht richtig verhalten hat, ist dabei weitaus hilfreicher – wir werden jedoch noch tiefer in die Handlungsspielräume von Eltern eingehen. Sowohl die Erscheinungsformen von Aggressivität als auch die Ursachen können bei Kindern unterschiedlicher Natur sein. Dennoch ist eines grundsätzlich festzuhalten: Erst wenn Kinder nicht mehr weiter wissen, verfallen sie zu aggressiven, wütenden oder trotzenden Verhaltensweisen. Dahinter steckt immer ein Stück Ausweglosigkeit, das jedoch mit zunehmender Erfahrung durch bessere Strategien ersetzt werden kann. Auch deshalb ist wichtig, dass Kinder nicht das Gefühl bekommen „falsch“ zu sein, sondern dass Eltern über ihre Versuche sich anzupassen und über ihre fehlende Erfahrung aufgeklärt sind. Für Kinder ist ein solches Verhalten oft der letzte Ausweg, eine verfügbare Reaktion, die die körperliche und geistige Unruhe ausdrückt. Solange keine neuen Strategien im Umgang erlernt werden, solange gibt es kein anderes Verhalten. Eltern müssen also, auch wenn dies manchmal schwer fällt, ebenfalls darauf achten, dass die kindlichen Reaktionen nicht zu derselben Antwort in ihnen selbst führen. Feuer mit Feuer zu bekämpfen führt nur zu weiteren Konflikten und hält keine Lösungsmöglichkeiten bereit.

Grundsätzlich gilt es Folgendes zu unterscheiden:
Zwischen den Motiven und Ursachen von aggressivem Verhalten muss unterschieden werden.

Beispielsweise kann der dreijährige Simon frustriert sein (Motiv) und daraufhin aggressiv handeln. Nun ist es wichtig herauszufinden, weshalb Simon frustriert ist. Ein solches Vorgehen ist essenziell, um den Ursachen auf den Grund zu gehen und daraufhin beispielsweise zu erkennen, dass Simon die letzten Tage sehr wenig Aufmerksamkeit bekommen hat, da das neue Geschwisterchen auf die Welt kam.

Kinder können aufgrund verschiedener Motive heraus aggressives Verhalten entwickeln:

So hat jedes destruktive Verhalten des Kindes einen Ursprung. Es ist meist ein Hilferuf oder Ausrufezeichen des Kindes, um auf sich aufmerksam zu machen.

Beißt das Kind dann, schlägt es um sich oder wird rasend vor Wut, hat dies meist nichts mit Gewalt im klassischen Sinne zu tun. In den allermeisten Fällen sind dies Zeichen von Frustration, die Kinder auch häufig dann erleben, wenn sie älter werden und sich an der Entscheidungsmacht der Eltern aufreiben oder nicht besser zu handeln wissen. Auch die sprachlichen Fähigkeiten reichen dann meist nicht aus, um sich auszudrücken und seinen Eltern den inneren Konflikt zu erklären.

Der Ursache auf den Grund gehen
Auch wenn Kinder sich aggressiv verhalten, suchen sie die Zuneigung ihrer Eltern. So ist es zu empfehlen, nicht gedankenlos gegen das kindliche Verhalten vorzugehen, ohne die Hintergründe aufzudecken. Ruhig und zugewandt und dennoch entschlossen. So ist es ratsam, auch die eigenen Emotionen anzusprechen:

praxisbeispiel

Der kleine Philip, drei Jahre alt, zeigt neuerdings ein ziemlich wildes Verhalten. Nicht dass es ihm an Aufmerksamkeit oder Zuneigung fehlt, doch scheint es so, dass wenn ihm etwas nicht passt oder ihm nicht zu gelingen scheint, er haut, beißt oder mit seinem Spielzeug um sich schlägt. Er hat sogar seinen Spielfreund mit seiner Spielfigur gehauen, als der diese nur kurz in die Hand nehmen wollte. Seine Mutter berichtet, dass dies mittlerweile zum Normalfall geworden ist. Dann hilft auch alles Reden nicht. Mehrmals habe sie bereits versucht ihrem Sohn einen Ausweg zu zeigen, doch was tun, wenn er nicht verstehen will, dass das, was er tut, seinem Freund wehtut.

Wie gehe ich vor, wenn mein Kind mir oder einem anderen Kind gegenüber aggressives Verhalten zeigt?

Induktion ist ein Begriff, der eine pädagogische Maßnahme in diesem Bezug beschreibt.

Die Induktion ist eine Möglichkeit, seinem Kind bereits vor dem vierten und fünften Lebensjahr die Auswirkungen seines aggressiven Verhaltens vor Augen zu führen. Folgendes ist dabei zu beachten:

Kinder lernen in jungen Jahren nicht durch lange Erklärungen oder harte Strafen. Es hilft ihnen jedoch, wenn sie das ausgelöste Leid gespiegelt erleben. Das heißt, das Kind soll in deutlicher und leicht übertriebener Weise spüren, welchen Schmerz es verursacht, wenn man jemandem wehtut. Ab der Mitte des zweiten Lebensjahres sollte dann auf das Hauen des Kindes reagiert werden, sodass es die Folgen erkennt. Dabei ist es wichtig, sich ein wenig aus sich heraus zu bewegen und den „Schmerz“ zu zeigen. Den Schmerz vorspielen, so tun, als müsste man weinen, führt dem Kind, noch bevor es tatsächlich erkennt, was es da tut, vor Augen, wie das Gegenüber reagiert. Es bemerkt dann, dass es ihm wehgetan hat, wechselt dann häufig sogar die Position und möchte trösten. Auch der Gesichtsausdruck muss zur Situation passen und kann sprachlich begleitet werden:

Seinem Kind kann man dann bestenfalls erlauben, sein Unrecht zu beseitigen. Loben Sie Ihr Kind, wenn es sich entschuldigt, zum Beispiel durch Streichen oder Pusten. In diesem Alter ist dies eine der Besten Möglichkeiten um auf sein Kind zu einem Verständnis für sein eigenes Verhalten zu begleiten. Erst etwas später erlaubt es die kognitive Reife des Kindes, sich in einen Perspektivenwechsel zu begeben und durch Erklärungen allmählich zu verstehen, wieso man besser so und nicht anders handelt.

Umgang mit aggressivem Verhalten

  • Helfen Sie Ihrem Kind, sein Ziel ohne Aggression zu erreichen. Ein Kleinkind muss erst noch lernen, seine Wünsche in Worten auszudrücken. Unterstützen Sie es dabei, indem Sie ihm passende Redewendungen beibringen, z. B. „Wenn du eines von Sarahs Sandförmchen haben möchtest, dann geh hin und bitte sie darum. Vielleicht möchte sie dann eines von deinen Förmchen haben.“

  • Geben Sie Ihrem Kind Gelegenheit, richtiges Verhalten einzuüben. Lassen Sie es häufig mit anderen Kindern spielen. Gut geeignet sind z. B. Ballspiele, bei denen der Ball hin und her geworfen wird, sodass jedes Kind automatisch in Ballbesitz kommt.

  • Gehen Sie mit gutem Beispiel voran. Seien Sie selbst nicht aggressiv! Eltern sind die wichtigsten Vorbilder in den ersten Lebensjahren. Ihr Kind kann viel dabei lernen, wenn es beobachten kann, wie Sie Konflikte auf adäquate Weise lösen.

  • Loben Sie Ihr Kind, wenn es friedlich mit anderen spielt (dies sollte generell nicht immer getan werden, jedoch ist es hilfreich, wenn das Kind aggressives Verhalten zeigt). Dadurch fördern Sie das gewünschte Verhalten, und das Kind bekommt Ihre Aufmerksamkeit zum richtigen Zeitpunkt, nämlich wenn es das erwünschte Verhalten zeigt.

  • Üben Sie mit Ihrem Kleinkind, wie es sich anderen gegenüber richtig verhält. Wenn Ihr Kind beispielsweise aggressives Verhalten zeigt, indem es andere Kinder an den Haaren zieht, dann zeigen Sie ihm, wie es mit der Hand vorsichtig über das Haar streichen kann.

  • Beenden Sie Kämpfe um Spielzeug bevor es zur Rauferei kommt. Nimmt Ihr Kind einem fremden Kind dessen Spielzeug weg, so nehmen Sie Ihrem Kind das Spielzeug wieder ab und geben es dem anderen Kind zurück, sofern Ihr Kind das auf Ihre Aufforderung hin nicht selbst tut. Streiten sich Geschwister oder Freunde um ein Spielzeug und lässt sich nicht ermitteln, wer nun an der Reihe ist, so entfernen Sie das Spielzeug für 5 bis 10 Minuten, um dass aggressive Verhalten zu unterbinden. Erklären Sie dazu jedes Mal, warum Sie so handeln.

  • Reagieren Sie sofort, wenn Ihr Kind aggressiv ist und anderen weh tut. Damit machen Sie ihm klar, dass Sie nicht gewillt sind, dieses aggressive Verhalten auch nur für kurze Zeit zu tolerieren.

  • Sagen Sie Ihrem Kind ganz konkret, wie es sich in der jeweiligen Situation richtig verhält. Schlägt es beispielsweise in der Sandkiste mit der Schaufel auf ein anderes Kind ein, weil es dessen Eimer haben möchte, können Sie ihm in die Augen sehen und mit fester Stimme sagen: „Hör bitte sofort auf, das Mädchen mit der Schaufel zu schlagen! Frag es, ob es vielleicht tauschen möchte – du gibst ihm deinen Rechen und es gibt dir dafür den Eimer!“ Loben Sie Ihr Kind sofort, wenn es mit seinem aggressiven Verhalten aufhört.

  • Wenden Sie die Auszeit an, wenn Ihr Kind sich weiter aggressiv verhält. Lassen Sie es zunächst unbeachtet neben sich sitzen (das ist auch auf einer Bank am Spielplatz gut möglich). Bleibt es nicht sitzen oder ist es anschließend gleich wieder aggressiv, muss es das Zimmer verlassen bzw. Sie gehen mit Ihrem Kind nach Hause.

Gesundes Selbstwertgefühl ist "Gegengift" gegen Gewalt

Versuchen Eltern schon früh, den Nachwuchs mit dieser akzeptierenden Haltung zu begegnen, die sich durch Dialog, Interesse, Neugier, Anerkennung und persönliches Feedback auszeichnet, wird das Kind mit der Zeit lernen, den Gefühlscocktail von Traurigkeit und Wut zu unterscheiden und zu integrieren: „Mit acht bis zehn Jahren wird es wissen“, schreibt der Experte, „wie es über seine Begrenzungen traurig sein und wie es seine Wut in zieleorientierte Ambition verwandeln kann.“ Diese Lernprozesse prägten sich ins Gehirn ein, und würden zu Verhaltensmustern, die dazu beitragen, dass das Kind ein gesundes Selbstwertgefühl und soziale Kompetenz sowie Empathie nicht nur gegenüber seiner Familie entwickelt. Nichts könnte, so Juul in seinem Buch, Gewalt und Aggression effektiver vorbeugen.

Wenn Aggressives Verhalten nicht aufhören will
Ähnlich wie die Fremdel- oder die Trotzphase dauert auch die aggressive Phase gegenüber den Eltern beim Kleinkind in der Regel nur wenige Monate. Löst sich das Problem trotz Ihres angemessenen Verhaltens nicht nach einiger Zeit auf, dann sollten Sie achtsam werden. Ebenfalls wichtig ist es, ob das Kind auch anderen gegenüber aggressiv und gewalttätig ist. Dauerhafte Wut, die sich körperlich ausdrückt und gegen die Eltern oder andere Kinder richtet, ist in vielen Fällen ein Hilferuf des Kindes. Irgendetwas ist in seiner Welt nicht in Ordnung. Aggressionen stehen oft für fehlenden Halt, Orientierungslosigkeit und Ängste. Zusammen mit dem Partner oder gegebenenfalls auch mit professioneller Hilfe sollten Sie ergründen, welche Sorgen Ihr Kind plagen.

Professionelle Lösungsansätze & Hilfemöglichkeiten
Wenn alle Lösungsansätze bei einem aggressiven Kind oder Jugendlichen versagen, muss professionelle Unterstützung her. Diese erhalten Sie bei einem Psychotherapeuten, der für jeden Individualfall eine daran angepasste Verhaltenstherapie ausarbeitet. Unterstützend können auch Medikamente gegeben werden, zum Beispiel bei hormonell bedingten Stimmungsschwankungen. Dazu muss evtl. auch noch ein Arzt zu Rate gezogen werden.

Eine Welt voller Möglichkeiten sorgt gelegentlich für Frust

In unserer Gesellschaft aufzuwachsen, mit all ihren verführerischen Konsumgütern, ihren Möglichkeiten und Angeboten, ist es von großer Bedeutung zu verstehen, dass nicht jeder Wille und jeder Wunsch erfüllt wird (werden kann). Kinder stehen im Mittelpunkt dieser Entwicklung und wollen verstehen, wie Gedanken, Wünsche und Vorstellungen an eine solche Welt angepasst werden, deren Aufgabe es ist zu verkaufen und zu verlocken.

Dennoch dürfen sich Wut und Trotz nicht ohne eine gewisse Reibung entladen, zumindest nicht so, dass sie ganz ohne klare Worte und ein vorbildliches Verhalten vonseiten der Eltern auskommen wird. Kinder versuchen auf ganz natürlichen Wegen ihre Grenzen auszutesten; auch wenn sie dies nicht mit einem heimlich geschmiedeten Plan tun, versucht jedes Kind herauszufinden, wie weit es sich mit seinem Verhalten vorwagen kann. Dabei lernen wir die Grenzen, aber auch die Möglichkeiten unseres Miteinanders kennen. Impulskontrolle ist das Gegenteil von schnellem und spontanem Handeln ohne nachzudenken. In der Psychologie bedeutet dieser Begriff die Fähigkeit, die eigenen Gefühle und Affekte bewusst zu steuern. Deshalb ist die Erkenntnis, dass Kinder sich in ihrer Emotionskontrolle noch üben müssen, von zentraler Bedeutung, ebenso wie Eltern dies kommunikativ begleiten können, indem sie ihrem Kind auch ihre eigenen Gefühle mitteilen. Dieser zweigeteilte Weg zeigt einerseits fürsorgliches Verständnis, andererseits klare Grenzen als notwendige Maßnahmen aus Sicht der Eltern.

fazit

Aggressivität bei Kindern und Jugendlichen kommt nicht von ungefähr, es stecken klare Ursachen und Motive dahinter. Diese gilt es zunächst zu finden, damit im Anschluss der passende Lösungsansatz gefunden werden kann. Wenn Eltern, Lehrer und das gesamte Umfeld eng verzahnt zusammenarbeiten und eine sinnvolle Strategie verfolgen, lässt sich dieses Problem normalerweise gut in den Griff bekommen.

Quellen / Literatur

Focali, E. (2011): Aggressionen und Gewalt begegnen. Konfliktbewältigung in der Kita. Köln (1. Auflage)

 

Haug-Schnabel, G. (2011): Aggressionen bei Kindern. Praxiskompetenz für Erzieherinnen. Freiburg im Breisgau (2. Auflage)

Prof-Dr-Dr-hartmut-kasten
Prof. Dr. Dr. Hartmut Kasten
Entwicklungspsychologe,
Frühpädagoge und
Familenforscher