6.1 Lernen in der Kindheit
Lernen, so kann man es gut und gerne behaupten, ist die Fähigkeit, sich die Welt um uns herum mit all ihrem Reichtum anzueignen um ihr dann Sinn und Bedeutung zu verleihen. Lernen ist auch die Fähigkeit, sich den Umständen des Lebens entgegen zu stellen, sie zu begreifen und zu verinnerlichen. Schon Babys lernen in ihrem ersten Lebensjahr eine ganze Menge. Auch Ihre Sinne entfalten sich mehr und mehr und benötigen hierfür Anregung und Möglichkeit. Wenn sich ein einjähriges Kind auf den Beinen hält, lernt es, seine Muskeln zu steuern und durch den Gleichgewichtssinn sich auf beiden Beinen zu halten. Das alles sind Übungen für Babys, die durch Eltern angeregt werden können. -Dies alles lernt ein Kind in ungeheurer Geschwindigkeit, während es sich noch lange in einem Reifungsprozess befindet. Lernen findet überall statt, auch in der Bewegung, dann wenn Kinder ihre motorischen Fähigkeiten verfeinern und das erste Mal lernen zu greifen, zu stehen und zu gehen. Doch auch bei kognitiver Aktivität, wenn sie denken und fühlen, entscheiden und handeln, lernen sie täglich neue Dinge .
So kann jeder Tag für ein Kind (aber auch für Erwachsene) ein unerschöpfliches Lernfeld sein. Der Alltag ist erfüllt mit unzähligen Ereignissen, bei denen Kinder nicht nur lernen können, was richtig und falsch ist, sie lernen auch, sich in eine Gemeinschaft einzufinden. Sie lernen ihre Umwelt jeden Tag ein Stück näher kennen.
- Wofür ist ein Baum eigentlich da?
- Was macht eine Biene?
- Wohin fliegen Flugzeuge?
- Wo leben Tiere?
Beim Lernen geht es erst einmal nicht darum, wer schneller das Einmaleins beherrscht. Denn die „Lust am Lernen“ entscheidet letztlich auch darüber, wer in Zukunft dem Lernen gegenüber wohlwollend entgegen steht, eine positive Einstellung dem Lernen gegenüber entwickelt und erkennt, dass Lernen ein lebenslanger Prozess ist.
Lust am Lernen
Jedes Kind kommt mit einer natürlichen Lust am Lernen auf die Welt. Dies ist eine ganz grundlegende menschliche Eigenschaft, die uns dazu befähigt, die Informationen unserer Umwelt zu kategorisieren. Dennoch kann die Lust am Lernen eingeschränkt werden, wenn die Fähigkeit sich etwas anzueignen mit Druck oder Strafe verbunden wird. Wenn das Lernen zu etwas wird, dass nur noch dann stattfindet, wenn man für Erfolge belohnt wird, geht schnell die natürliche Lust am Lernen verloren.
Die Flamme der Begeisterung schwebt über jedem Lernerfolg
Möchte man ein Kind dazu bewegen, sich für eine Sache zu interessieren, ist es hilfreich, wenn man selbst für diese Sache „brennt“. Jedes Kind lässt sich gerne von der Leidenschaft seines Gegenübers anstecken und fühlt mit. Besonders durch eigenständiges Interesse, persönliche Bedeutsamkeit und positive Emotionen und dann, wenn Erfolgserlebnisse zustande kommen, lernen wir auf höchstem Niveau. Oft wird dann das Lernen nicht mehr als Lernen angesehen, sondern es versteckt sich hinter Hobbys und Interessen. Dann sprechen wir nicht mehr unbedingt von Lernen, obwohl wir es doch tun. Wenn sich Kinder in eine Sache vertiefen, darin ihre eigene Selbstwirksamkeit erfahren und sich selbst sagen hören:
- "Ich schaffe das" (siehe Land: Selbstwirksamkeit)
- "Ich kann das",
werden sie überhäuft mit körpereigenen Glücksgefühlen, die als natürlicher Lernantrieb dienen und verstärkt zu neuen Erfahrungen führen.
Psychologische Beraterin, Heilpraktikerin für Psychotherapie
Was können Eltern tun, damit Lernerfahrungen ermöglicht werden?
Die Eltern müssen den angemessenen Rahmen vorgeben und ihn in Abhängigkeit vom Alter, von den Fähigkeiten und Möglichkeiten des Kindes erweitern. Eine Tagesstruktur und Rituale geben Halt und Vertrauen und ermöglichen ein unbelastetes Lernen. Eltern müssen sich gewiss sein, dass sie die Vorbilder ihrer Kinder sind. Der Umgang in der Familie, das Verhalten und die Sprache prägen das Verhalten der Kinder, was bereits Lernen ist.
Welche Voraussetzungen sind wichtig für vielfältige und gewinnbringende Lernerfahrungen?
- Das Kind muss sich in der Familie angenommen und als gleichwertiges Mitglied fühlen. Das heißt jedoch nicht, dass Kinder mit Fragen und Problemen konfrontiert werden sollen, deren Ausmaß sie noch gar nicht überblicken können und mit denen sie überfordert wären. Alles muss im Kontext mit dem Alter gesehen werden.
- Ein Kind braucht von Beginn an bedingungslose Liebe, Ermutigung, Lob, Anerkennung, Aufmerksamkeit und liebevollen Körperkontakt. Die Liebe sollte auch immer wieder in Worten ausgedrückt werden.
- Es sollte sich selbst erfahren dürfen, durch viel Freiraum zum Spielen; es sollte seine Grenzen ausloten, seine Qualitäten und Talente entdecken, Misserfolge aushalten, sich einbringen und zurückstehen und Kreativität entwickeln können.
- Für eine gute Entwicklung des Gehirns und der gesamten Persönlichkeit, muss ein Kind mit allen Sinnen begreifen dürfen, entsprechend seiner Reife, in seinem individuellen Tempo. Nur dann können die Strukturen im Gehirn aufgebaut werden, die nachher über Intelligenz und gute Auffassungsgabe entscheiden. Eine gute Lernerfahrung, kann zum Beispiel sein, gemeinsam einen Kuchen zu backen. Den Teig kann man sehen, riechen, schmecken und fühlen, was dadurch einen bleibenden Eindruck, also wichtige Spuren im Gehirn hinterlassen kann.
- Zur Vertiefung der Erfahrung können Geschichten und Bilderbücher herangezogen werden, die ebenfalls auf das Alter der Kinder abgestimmt sind.
Kinder können sich noch nicht umfänglich artikulieren. Sie drücken sich z. B. über das Malen aus. Deshalb sollte diese Ausdrucksform gefördert und täglich ermöglicht werden. Dabei ist es wichtig, dass die Werke des Kindes gewürdigt und so angenommen werden, wie sie vom Kind „gedacht“ sind und etwa für eine gewisse Zeit im Haus an die Wand gehängt werden. Korrekturen oder eigene Interpretationen sollte man daher besser vermeiden. Kinder sehen die Dinge im Detail, weshalb etwa ein Kreis für ein Auto stehen kann. Man sollte daher Niemals sagen: „Das ist kein Auto, das ist doch ein Kreis oder nur ein Rad.“ Die Entwicklungsschritte in der Kinderzeichnung sind genetisch festgelegt. Deshalb zeichnet fast jedes Kind nacheinander, je nach Alter: Bis etwa 3 Jahre malen Kinder nur „Kritzel-Kratzel“, erst etwa ab ca. 3,5 bis 4 Jahren malen sie Kopffüßler und Kreise.
Das Wort Lernen
Aus der Sicht eines Kindes ist das Lernen in den ersten Lebensjahren meist kein bewusster Akt, obwohl sie es dennoch tun. Mit den Augen eines Kindes ist Lernen mit Spielen, Versuchen und Irren verbunden. Dabei haben sie immer wieder kreative Ausbrüche, versuchen Gegenstände zu bewegen, in die Hand zu nehmen oder zu begutachten. Die Mühe, die sie sich dabei machen, ist für sie keine „Lernmühe, sie begegnen ihrer Umwelt insgesamt spielerisch. Erst mit zunehmendem Alter lernen sie den Begriff „Lernen“ im Zusammenhang mit ihrem aktiven Tun kennen. Beispielsweise ist das, was Sie und wir hier gerade machen, durchaus als bewusstes Lernen zu bezeichnen. Zielgerichtet sitzen Sie gerade vor diesem Text, lesen ganz bewusst die einzelnen Worte, verbinden die Worte zu Sätzen und leiten aus jedem Satz einen Sinn ab. Sie nehmen Informationen auf und sie lernen. Kinder jedoch lernen auf eine andere Art und Weise ihre Welt kennen, sie lernen beiläufig.
Lernen wurde zu einem Begriff, der häufig damit verbunden wird, dass wir uns mit Mühe (manchmal auch mit Not) und meist unter Druck einen „Lernstoff“ aneignen müssen, der uns aufgetragen wurde. Das dies nicht die ganze Wahrheit ist, ist ein wichtiger Teil der 4kids-Welt.
Neues über das Lernen lernen
Das Verständnis von „Lernen“ wurde bei vielen vor allem in der Schulzeit dadurch bestimmt, wie uns Lernen vermittelt wurde: Häufig gab es Druck, hin und wieder Überforderung, manchmal auch Unterforderung. Lange abgespeichert wurde das Wissen selten. Einige unserer Vorstellungen über das Lernen kommen aus diesen Tagen. Wir bezeichnen im Familienalltag beispielsweise das Spiel eines Kindes zu selten als „Lernen“, obwohl dort meist sogar unter besseren Voraussetzungen gelernt wird.
Wann ist Lernen für Kinder erfolgreich?
- Wenn sie genügend Selbstwirksamkeit erfahren, also durch eigene Handlungen zu Wissen gelangen.
- Wenn sie darin bestärkt werden, beispielsweise dann, wenn Sie nicht mehr weiter wissen oder aufgeben wollen.
- Wenn Erwachsene Wissen, dass Spielen auch Lernen sein kann, egal ob freies Spiel, Herumspielen, Rollenspiele oder ein Spieleabend;, alle fordern kognitive Fähigkeiten heraus.
- Wenn sie eine eigene Motivation besitzen.
- Wenn sie keine Ängste haben beim Entdecken.
- Wenn Eltern und Kind gemeinsam die Welt entdecken.
In diesem Kontinent wollen wir die Hintergründe des Lernens etwas näher kennenlernen. Dabei ist unser Anliegen, dass Sie das Lernen nicht „nur“ als das ansehen, was wir als bewusste Anstrengung kennen, sondern verstehen, dass dann wenn Kinder alleine oder gemeinsam mit Eltern und Freunden Zeit verbringen, sich aktiv beschäftigen, miteinander kommunizieren und die Welt um sich herum entdecken in vielen kleinen Lernfeldern unterwegs sind.
Bewusst unbewusst Lernen
Kinder in den ersten Lebensjahren lernen vor allem beiläufig, also nicht intentional. Beiläufig zu lernen heißt, dass Kinder ständig etwas Neues erfahren, ständig auf neue Erkenntnisse und Herausforderungen stoßen, die sie verinnerlichen, während sie ihren Tag bestreiten. So gibt es bewusst ablaufende Lernprozesse und unbewusst angeeignete Fähigkeiten und Fertigkeiten. Kinder nehmen Wissen in sich auf ohne wirklich „bewusst“ lernen zu müssen. Das heißt, sie eignen sich eine unglaubliche Anzahl an Fähigkeiten an, ohne dabei tatsächlich zu „pauken“, wie man es z. B. aus der Schule kennt und dennoch lernen sie. Dies zeigt sich an anhand verschiedener Beispiele:
- Sprechen lernen
- Laufen lernen
- Soziale Fähigkeiten trainieren
- Grammatik der Muttersprache
Lernen im Alltag
Kinder lernen in dieser Zeit durch ihre alltägliche Erfahrung, durch die Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt und allem, was sich darin vorfinden lässt. Würde man uns fragen, wie wir die grammatischen Regeln unserer Muttersprache gelernt haben, müssten wir wohl passen, obwohl wir sie korrekt anwenden und wiedergeben können. Die meisten dieser Lern- und Verstehensprozesse laufen nicht bewusst ab. Sie kennen das sicher: Auch Sie haben sich nicht darum bemüht, gewisse soziale Normen und Regeln (Anstandsregeln, an einer Schlange anstehen, Höflichkeitsformen, Gesprächskulturen etc.) zu pauken, wir haben Sie ganz unbewusst gelernt und uns von unseren Mitmenschen abgeschaut, im alltäglichen Miteinander. So auch das Kind, es beobachtet, agiert und reagiert auf die Einflüsse auf sein Leben. Im Familienleben oder mit anderen Kindern, ganz egal wo Sie sich befinden, überall gibt es etwas für das Kind zu erfahren und einzuordnen Dies zeigt wunderbar die verschachtelten Fähigkeiten unseres Gehirns, dass darauf ausgelegt ist, Muster und Regeln in seiner Umwelt zu definieren. So wird niemand tatsächlich behaupten, dass er sich diese „bewusst“ habe aneignen müssen. Fragt man uns jedoch, wie und vor allem wo wir Prozentrechnen gelernt haben, wäre die Antwort höchstwahrscheinlich einfacher: Durch eine gewisse Anstrengung in der Schule.
Es ist der Charakter des impliziten und unbewussten Lernens, dass man nicht bemerkt, dass man gerade lernt. Kinder begleitet diese Form des Lernens vor allem in den ersten 3 bis 5 Lebensjahren und sie kommen dabei zu unfassbaren Leistungen. Die Beiläufigkeit, mit der dies geschieht, ist ein wichtiges Element der kindlichen Entwicklung. Sie fordert nicht das Ausmaß an Aufmerksamkeit und Willensteuerung, wie dies das bewusste Lernen fordert. So lernen Kinder z. B. das Treppensteigen und das Stehen auf zwei Beinen, ohne sich tatsächlich (bewusst) dazu entschließen zu müssen. Deshalb wird diese Form des Lernens als automatisierter Prozess angesehen, der in einem eigenen kognitiven System stattfindet, d. h., bewusstem unbewusstem Lernenliegen verschiedene Lernsysteme zugrunde. Dort, wo Kinder sich an Vorbildern orientieren können, dort wo sie eine starke Bindung vorfinden, werden das implizite und das unbewusste Lernen möglich.
Merkmale von implizitem (unbewussten) Lernen:
- ohne Kapazitätsbegrenzung
- unbewusst
- beiläufig
- weniger von Aufmerksamkeitsfaktoren abhängig
Während sich also in den ersten Lebensjahren das Lernen auf eine spielerische Weise vollzieht, wird es mit zunehmendem Alter, spätestens zu Beginn des Schulalters durch das bewusste bzw. intentionale Lernen erweitert. Das Wissen, dass Kinder aufnehmen (sollen) wird mehr und mehr vorgegeben, es wird geplant und folgt einem Schulplan, der in gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhang steht.
Lebenslang lernen wir beiläufig, in den ersten 3 Lebensjahren ist es jedoch die Hauptform des Lernens und es ist meistens in Spielhandlungen eingebettet. Dies unterstreicht noch einmal die Wichtigkeit des kindlichen Spiels!
Erfolgreiches Lernen in späteren Lebensabschnitten setzt ferner voraus, dass man das Lernen gelernt hat. Es muss Kindern vermittelt werden, wie man Lernen plant und selbst überwacht, wie man sich Wissen aneignet und überprüft, welche Lernstrategien erfolgversprechend sind, wo die eigenen Stärken und Schwächen liegen, wie man das Gelernte durchdenkt und erinnert. Sie müssen wissen, dass Lernen Sich-Anstrengen bedeutet, und sollten somit Lern- und Leistungsmotivation entwickelt haben.
Kinder lernen nebenbei
Kinder lernen ständig, doch nicht immer das, was man ihnen vorgibt. Das ist auch gut so, denn nur derjenige, der eigene Interessen hat, der einer starken Motivation folgt und der sein eigenes Handeln mit Freude verbinden kann, wird eigenständige Erfolge erleben. Lernen geschieht ständig, immer und überall. Selbst wenn man meinen könnte, ein Kind lernt überhaupt nichts, während es stundenlang vor dem Computer sitzt, oder völlig abgelenkt mit Smartphone im Unterricht sitzt, können sie auch dabei etwas lernen. Die Frage ob dies förderlich oder hinderlich ist, wollen wir im Kontinent der Medien besprechen, doch eines ist sicher: Das Gehirn lernt ständig (wenn es auch nur die Fingerbewegungen am Smartphone sind), nur, was es lernen will, passt selten in das Bild, das wir als Gesellschaft von „wertvollem“ Lernen haben. Lernen bedeutet Veränderung, denn immer dann, wenn wir beginnen etwas zu verstehen, verändert sich in unserem Gehirn etwas und es werden Verbindungen geknüpft. Je nachdem, ob wir bereits Vorwissen haben, ob uns das Lernthema fasziniert oder ob wir gar nicht bemerken, dass wir gerade lernen, lernen wir doch lebenslang und dennoch ganz unterschiedlich.
Folgende Erkenntnis ist für diese Abbildung wichtig: Das Gehirn arbeitet stets mit seinem Vorwissen. Je mehr Wissen gesammelt wird, desto mehr Wissen passt noch rein. Deutlich wird dies in verschiedenen Lebensbereichen, wie dem Sprachenlernen. Spricht jemand bereits mehrere Sprachen, fällt es ihm leichter sich eine weitere anzueignen. Je mehr Verknüpfungspunkte wir als Wissensnetzwerke zur Verfügung haben, desto einfach kann neues Wissen an bereits vorhandenes„anknüpfen“.
Lernen lässt Irrwege und Umwege zu, unser Gehirn ist ziemlich gut darin, verschiedene Wege für die Lösung eines Problems zu finden. Wichtig ist es also, seinem Kind nicht das Gefühl zu geben, dass nur ein Weg zum Ziel führt, dies stimmt meist auch gar nicht. einen Einblick hierzu gibt es im Land der Selbstwirksamkeit und auch im Land: Aktives Erkunden.
Entscheidend ist zunächst das "Wie", danach kommt das "Was"
Das Wie:
Die Atmosphäre, die Gestaltung, die Art und Weise, wie man versucht, miteinander in ein Lernfeld zu treten, entscheidet maßgeblich über den Erfolg. Erlebt ein Kind, dass es bei einer Aufgabe ausgelacht wird und sich selbst als nicht wirksam dabei erfährt, dann wird es sich selten mit neuem Elan an diese Aufgabe setzen. Ob sich Ihr Kind zugewandt oder abgewandt mit einen Thema beschäftigt, hängt nun einmal wesentlich davon ab (als Kind aber auch als Erwachsener) wie viel Freude uns dies bereitet und ob wir darin einen Sinn erkennen können. Kinder lernen nicht nur, den Dingen in ihrer Umwelt einen Namen zu geben, ihr Denken zu verfeinern und Antworten auf ihre Fragen zu finden, sondern auch mit Gefühlen umzugehen oder abstrakt zu denken. Ohne Umweltreize, also ohne die Auseinandersetzung und Konfrontation mit den eigenen Gefühlen oder auch denen der Eltern, ohne entsprechende Anregung für das Sprachenlernen, gibt es keinen Lernfortschritt. Lernen ist zu großen Teilen abhängig von der Umwelt.
Welche Lernangebote hat meine Umwelt? Für Kinder lässt sich diese Frage wie folgt umwandeln:
- Sehe ich einen See mit eigenen Augen und lerne hautnah, dass dort Fische leben?
- Lerne ich durch Spielzeuge unterschiedliche Formen und Farben kennen?
- Höre ich Geschichten über Märchenhelden/innen und kann ich mich gedanklich in die Rolle eines Charakters versetzen?
Gymnasiallehrerin für die Fächer Deutsch und Gemeinschaftskunde in Heidelberg
Tipps zum „gehirngerechten Lernen“
-
Gehirngerechtes Lernen besteht vor allem darin, den Schülerinnen und Schülern ihren Freiraum zu geben, in welchem sie sich ganz individuell entfalten können. Dazu ist es wichtig, pädagogische Situationen zu gestalten, in denen sie sowohl selbstständig arbeiten und sich mit anderen austauschen können als auch den fachlichen Input und die Wissensvermittlung durch eine Fachpädagogin/einen Fachpädagogen erhalten. Das nimmt die Lehrkraft aus dem Fokus, baut auf die Interessen der Schülerinnen und Schüler und fördert das selbstorganisierte Lernen.
-
Das Lernen und Leben in jahrgangsübergreifenden Gruppen ist ein wichtiger Faktor, um sich von anderen Schülerinnen und Schülern inspirieren und unterstützen zu lassen. So wird eine natürliche Heterogenität der Arbeitsgruppen gewährleistet, welche die unterschiedlichen Niveaus, Erfahrungen und Interessen der Schülerinnen und Schüler als einen gewinnbringenden Austausch darstellt und ihnen Raum lässt, sich in ihrem eigenen Tempo entfalten zu können.
-
Die Einbindung außerschulischer Lernorte und der Austausch mit Expertinnen und Experten stellt ein weiteres wichtiges Element für ein gehirngerechtes Lernen dar. So kann gewährleistet werden, dass die Schülerinnen und Schüler einen Lebensweltbezug herstellen können und, über den Lehrplan hinaus, gedacht, gearbeitet und gelebt wird.
-
Um die Schülerinnen und Schüler als denkende, fühlende und handelnde Individuen wahrnehmen zu können, ist es wichtig, sie zu motivieren, ihnen Verantwortung für ihr Tun zu übertragen und ihnen konstruktive und differenzierte Rückmeldungen zu geben, sodass der Fokus nicht auf Leistung und einem möglichen Druckaufbau liegt, sondern auf der Förderung eines kritischen und selbstreflektierenden Bewusstseins.
Kinder lernen, was für sie bedeutsam ist, ständig
Sinneswahrnehmung: Die ersten Grundbausteine der Lernwelt
Lernen beginnt, wie wir bereits erfahren haben, schon am ersten Tag, wenn auch nicht als bewusste Willensanstrengung. Das kindliche Selbstbewusstsein steht in einem engen Zusammenhang mit Lernerfolgen, wer sich nämlich eine gewisse Selbstsicherheit zuschreibt, strengt sich meistens auch mehr an. Wie also können Eltern das frühkindliche Lernen begleiten?
Wahrnehmung und Sinne
„Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war“ so beschrieb bereits John Locke (Philosoph 1632-1704) die immense Wichtigkeit von Sinnesschulungen. Mit jungen Kinder etwas zu lernen heißt Raum und Möglichkeit dafür zu bieten, Körper und Geist zu trainieren und kennen zulernen. Dies geschieht immer dann, wenn Kinder spielen, ihre Umgebung erforschen und Zusammenhänge zu verstehen versuchen. Doch die heutige Zeit ist geprägt von einem Übermaß an Reizstimulation. Vor allem Augen und Ohren werden mit unzähligen und zum Teil auch unnötigen Informationen überhäuft, während der Tast-, Geruchs- und Bewegungssinn in vielen Fällen unberücksichtigt bleiben. Kinder haben ein Bedürfnis nach Bewegung und einen natürlichen Drang danach, ihre Sinne einzusetzen, um ihre Umwelt zu verstehen. Zwar handeln Kinder kaum anders, doch werden ihre Möglichkeiten durch die heutigen Bedingungen des Lebens und Wohnens häufig erschwert, , sodass ihnen grundlegende Sinneserfahrungen als Grundlage des Lernens fehlen. Um die eigene Umgebung auf vielfältige Weise zu erfahren, kognitive Fähigkeiten zu trainieren, Muster in der Welt zu entdecken und zu erkennen, ist ein Zusammenspiel aller Sinne nötig. Kinder müssen die Welt be-greifen und er-fassen, nur so öffnen sie sich auch für weitere Lerninhalte. Kinder erlangen ihre Kenntnisse und Fertigkeiten dadurch, dass sie tun, handeln, fühlen, versuchen und irren. Um also die Wahrnehmung und Lernbereitschaft des Kindes zu beflügeln, sind also auch Raum, Möglichkeit und Anregung erforderlich. Für eine gesunde Entwicklung und Lust am Lernen in den ersten Lebensjahren braucht es Luft und Wasser, Dreck und Erde, Tiere und Bäume, Wiesen und Felder eingepackt in Bewegung und Zuneigung zu den Eltern.
Entwicklungsaufgaben in der Kindheit (Durchschnittswerte)
Sinne ansprechen bedeutet Lernen in der Kindheit
Lernen heißt Sinne ansprechen und über die Sinne lernen Kinder die Welt kennen. Vergessen wir nicht, dass Lernen auf Vorwissen aufbaut. Umso mehr Sinne bereits Erfahrungen sammeln durften, desto einfacher fällt es Kinder weitere Wissensnetze aufzubauen.
Schmecken: Wie schmeckt das?
- Was sind die Unterschiede? Wie ist ihre Beschaffenheit?
- Wie fühlt es sich auf der Zunge an?
- Finden wir in der Natur auch essbare Lebensmittel?
- Was ist der Unterschied zwischen einem Apfel und einer Kirsche?
Allein durch die Förderung des Geschmacksinns lassen sich unzählige Erfahrungen generieren, so lernen Kinder am liebsten.
Geräusche wahrnehmen: Was ist das für ein Geräusch? Unterschiedliche Lebewesen leben in der Natur.
- Welche Geräusche machen sie? Was unterscheidet einen Vogel von einem Hasen?
- Das Gehör ist wichtig, um sich in der Welt orientieren zu können.
- Woher kommt ein Geräusch? Was bedeutet es? Kann es Gefahr bedeuten?
Geräusche raten: Spielen Sie verschiedene Geräusche ab. Für Kleinkinder eignen sich am besten Tiergeräusch wie das „Törööö“ eines Elefanten und das Muhen einer Kuh. Die Kinder müssen erraten, um welches Tier es sich handelt. Mit älteren Kinder können die Geräusche schwieriger werden: Bei einem tropfenden Wasserhahn oder Meeresrauschen muss man ganz genau hinhören.
Geräusch-Memory: Kleine Behälter werden mit unterschiedlichen Materialien wie kleinen Steinen, Reis, Sand oder Sonnenblumenkernen gefüllt. Durch Schütteln an den Behältern sollen Paare mit der gleichen Füllung gefunden werden – gar nicht so einfach! Fühlen: Was ist das für eine Beschaffenheit?
Was ist in dem Stoffbeutel? Reis? Murmeln oder Sand?
Über ihre Sinne nehmen Kinder die Welt wahr, deshalb ist es wichtig, verschiedene Sinne anzusprechen und ein erstes Verständnis über die Dinge unserer Umwelt zu erlangen.
Fazit
Jedes Kind kommt mit einer natürlichen Lust am Lernen auf die Welt. Dies ist eine ganz grundlegende menschliche Eigenschaft, die uns dazu befähigt, die Informationen unserer Umwelt zu kategorisieren. Dennoch kann die Lust am Lernen eingeschränkt werden, wenn die Fähigkeit sich etwas anzueignen mit Druck oder Strafe verbunden wird. Wenn das Lernen zu etwas wird, dass nur noch dann stattfindet, wenn man für Erfolge belohnt wird, geht schnell die natürliche Lust am Lernen verloren.
Spitzer, M. (2002): Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens. Heidelberg: Spektrum
Hurrelmann, K. (2003). Determinanten von Gesundheit. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung. 4. Aufl., Köln: Fachverlag Peter Sabo: 26-28
Hurrelmann, K; Bründel, H. (2003). Einführung in die Kindheitsforschung. 2. Aufl. Weinheim, Basel: Beltz
Michael-Hagedorn, R; Freiesleben, K. (2003). Kinder unterm Blätterdach. Walderlebnisse planen und gestalten. 2. Aufl. Dortmund: Verlag modernes lernen Borgmann publishing
Singerhoff, L. (2001). Kinder brauchen Sinnlichkeit. Die Bedeutung und Förderung kindlicher Sinneswahrnehmung. Weinheim, Basel: Beltz
Gasser, P.: Gehirngerecht lernen: Eine Lernanleitung auf neuropsychologischer Grundlage. Hep, Bern 2010 Mit vielen Exkursen in die Neuropsychologie gespickter Ratgeber
Roedinger III, H.L. et al.: Ten Benefits of Testing an their Apllications to Educational Practice.
In: Psychology of Leraning and Motivation 55, S. 1-36, 2011
Ansari, S. (2009): Schule des Staunens: Lernen und Forschen mit Kindern, Heidelberg (Spektrum AkademischerVerlag).
Ansari, S. (2013): Rettet die Neugier! Gegen die Akademisierung der Kindheit, Dillingen (Krüger).
Bogyi, G. (1998): Trauerarbeit – ein unverzichtbarer Aspekt heilpädagogischer Beziehungsgestaltung? In: Datler, W. u.a. (Hrsg.): Zur Analyse heilpädagogischer Beziehungsprozesse, S. 113-132, Luzern (Schweizerische Zentralstelle für Heilpädagogik).
Brisch, K.-H. (2003): Grundlagen der Bindungstheorie und aktuelle Ergebnisse der Bindungsforschung; in: Finger-Trescher, U., Krebs, H. (Hrsg.): Bindungsstörungen und Entwicklungschancen, S. 51-67, Gießen (Psychosozial-Verlag).
Cramer, B., Stern, D. (1988): Evaluation of Changes in Mother-Infant Brief Psychotherapy: A Single Case Study; in: Infant Mental Health Journal 9 (1), S. 20-46.
Heilpraktikerin für
Psychotherapie