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5 | Kontinent der Kinder

5.2 Resilienz, die innere Stärke

Lesezeit: ca. 13 Minuten
Überblick
Die Innere Stärke

Stärke wächst nicht aus körperlicher Kraft – vielmehr aus unbeugsamem Willen

Mahatma Ghandi

Dass das Leben nicht nur aus den guten Tagen bestehen kann, ist eine tief verwurzelte Erkenntnis des Lebens. Man mag die glückseligste Person sein, und dennoch bietet das keine Garantie dafür, dass man verschont bleibt von unschönen Lebensereignissen oder alltäglichen Krisensituationen. Es gehört wohl notwendigerweise dazu, auch aus den weniger schönen Erlebnissen lernen zu müssen; sie sind Teil des Lebens, auch des Lebens von Kindern. So gehört zu jeder selbstbewussten und ausgeglichen Persönlichkeit die Fähigkeit, auf Probleme angemessen reagieren zu können. Solche Bereiche, wie die Resilienzforschung, waren lange Zeit nicht konkretisierbar. Doch die Erkenntnisse über unser inneres Schutzschild wachsen und mit ihnen auch das Verständnis für die schwierigeren Lebenssituationen. Mit Herausforderungen umgehen zu können und eine psychische Widerstandsfähigkeit zu besitzen, ist eine der Kompetenzen, auf die wir hier eingehen werden – die Resilienz.

Bauen wir gemeinsam ein Schutzschild

Resilienz beschreibt die Fähigkeit, erfolgreich auf belastende Umstände, Stress und ihre negativen Folgen reagieren zu können. Sie ist die Fähigkeit, Kummer zu kanalisieren, in der Familienmitte gemeinsam zu benennen und gemeinschaftlich auszutragen. Negative gleichermaßen wie positive Gefühle nicht zu unterdrücken, sondern gemeinsam zu versuchen, sie zu bewältigen und zu erleben. Schwierigkeiten zu meistern und Rückschläge auszuhalten lernt man spürbar einfacher in der Gemeinschaft, als man dies alleine tun könnte. Im Alltag zeigen sich immer wieder einzelne Situationen, die uns vor schwierige Lebensereignisse stellen, an welchen wir viel lieber wachsen würden, anstatt zu scheitern. Für Kinder gibt es genauso wie für Erwachsene Lebensfelder, die besser überstanden werden können, wenn Kinder sich als selbstsicher erleben. Lernen sie gemeinsam mit ihren Eltern, dass Herausforderungen in positiver Beziehung zueinander gelöst werden können, bauen sie nach und nach ein Schutzschild auf mit der Gewissheit, dass Probleme auch immer eine Lösung in sich tragen. Sie als Herausforderungen anzuerkennen und gestärkt aus ihnen herauszufinden, beschreibt die Resilienz – eine Anpassungsfähigkeit an verschiedene belastende Umstände.

Welche Schutzfaktoren bieten eine effektive Resilienzförderung?

Auf unterschiedlichen Wegen bauen sich Kinder und Erwachsene ihr Schutzschild auf, und so kann man mehrere gleichermaßen bedeutsame Schutzfaktoren aufzählen, die, wenn sie innerhalb einer Familie gelebt werden, einen Teil der Psyche stärken. Deshalb nennt man sie auch eine psychische Widerstandskraft. Positive Emotionen beispielsweise, wie wir sie im Kontinent der Erziehung, im Land der Positiven Psychologie erleben, führen uns zu so einer Stärke, zu einer zuversichtlichen Erwartungshaltung mit dem Wissen, bei Unsicherheiten auf Familie und Freunde zählen zu können, doch auch die Gewissheit zu besitzen, auf den eigenen Schultern eine kleine Last zu ertragen. Ersichtlich ist, dass Kinder in einem gewissen Alter noch nicht viel mit der Resilienz und mit Eltern, die versuchen, dieses Konzept zu erklären, anfangen können. Doch auf Umwegen tun Eltern das tagtäglich, denn die Resilienz ist die Konsequenz aus mehreren Faktoren. So gelingt es uns auch in den frühen Jahren der Kindheit, Ihrem Kind die psychischen Vitamine zu verabreichen, die es kostenlos im Familienleben zu holen gibt.

Die größte Botschaft der Resilienzforschung beruht deshalb auf folgender Aussage:
Das wichtigste Gut, auf dem ein psychisches Schutzschild aufgebaut wird, besteht aus positiven Beziehungen.

Resilienz baut hauptsächlich auf einer starken Bindung auf, auf verlässlichen Bezugspersonen und aufmerksamer Beobachtung. Kinder wollen in ihren Bedürfnissen, Fragen und Wünschen ernst genommen werden, und ein Familienklima unterstützt dies dadurch, dass man seinem Kind auf Augenhöhe begegnet. Das heißt nicht, dass man allen Wünschen nachgeben muss, es beschreibt vielmehr den Umgang mit positiven wie auch negativen Umständen, die durch eine wertschätzende Haltung begleitet werden.

Das Immunsystem der Psyche

Mit der psychischen Widerstandskraft verhält es sich ähnlich wie mit dem Immunsystem: Um die nötigen Abwehrkräfte zu entwickeln, muss man eben auch einigen Viren ausgesetzt sein. Statt vor der nächsten Krise zu zittern, zeigt sich die WIederstandkraft als Gelegenheit, die eigene Resilienzfähigkeit zu testen – um zuversichtlich zu sein, dass einem im Ernstfall jene Kräfte zur Verfügung stehen, die man zur Bewältigung braucht. Tatsächlich erkennen wir oft erst in der Not, wie stark wir wirklich sind. In mehreren Langzeitstudien hat man gleich mehrere Bereiche erkannt, die aus Sicht des Kindes zu einem inneren Schutzschild führen können. Die Resilienzforschung zeigt uns, dass der Weg zur Widerstandskraft einer langen Erfahrungsreise gleicht, die ein angenehmes Familienklima erschafft, als einem einzelnen Erlebnis, an dem man die Entwicklung von Resilienz festmachen könnte.

Klicken Sie sich durch: Hier finden Sie auch immer eine kurze Anleitung. Vergessen Sie nicht, dass wir zu vielen dieser Bereiche eigene Länder haben, in welchen wir tiefer in die folgenden Begriffe eintauchen werden.

Die Faktoren der Resilienz – klicken Sie sich durch:

Soziale Kompetenz ist ein Sammelbegriff für verschiedene Formen des Umgangs mit anderen Menschen, als Mitglied einer Gemeinschaft, wie der Familie – aber auch der Gesellschaft im Ganzen. Soziale Kompetenz beschreibt auch die Fähigkeit, die eigenen zwischenmenschlichen Beziehungen positiv zu erleben. Dazu gehört eine Vielzahl an Fähigkeiten, die bereits vor Schuleintritt vorhanden sein sollten, um dann von dort aus weiter ausgebaut zu werden, durch neue Erfahrungen mit Gleichaltrigen:

Teamfähigkeit: Kann sich mein Kind in eine Gruppe einbringen, mit anderen kooperieren und sich je nach Situation zurücknehmen oder auch durchsetzen?

Kritik- und Konfliktfähigkeit: Kann mein Kind Kritik annehmen statt es als Angriff zu werten? Ist es bereit, Kompromisse zu schließen? Setzt es sich dafür ein, einen Streit zu schlichten?

Persönliche Kompetenzen: Hat mein Kind ein gesundes Selbstbewusstsein und eine gute Selbstwahrnehmung? Ist es tolerant und flexibel?

Empathie: Zeigt mein Kind Einfühlungsvermögen und kann sich in andere Menschen und neue Situationen hineinversetzen? Nimmt es die Wünsche und Bedürfnisse anderer wahr und respektiert sie?

Kommunikationsfähigkeit: Ist mein Kind in der Lage, seine Wünsche, Bedürfnisse und Ängste klar zu äußern? Traut es sich, Kontakt zu anderen aufzunehmen? Kann es gut zuhören?

Die Kinder lernen einige dieser Fähigkeiten ganz nebenbei im Umgang miteinander und werden außerdem von ihren Eltern und anderen Vorbildern geprägt und beeinflusst. Doch man kann die sozialen Kompetenzen auch ganz gezielt fördern und erlernen indem man sie vorlebt, kommuniziert und in die Mitte der Familie als Entwicklungsfelder hebt.

Das Verständnis für das eigene Selbst. Eine Aufgabe, die über viele Jahre entwickelt wird. Selbstwahrnehmung ist etwas, dass jeder für sich selbst erfühlen muss; doch wir können dieses Feld aufbereiten, es kommunizieren und vorleben. Denn nicht darüber zu sprechen, dass es die Chance gibt, sich selbst zu regulieren, mit sich selbst im Austausch zu stehen, sich selbst zu fragen, wie es einem geht, und warum, wäre eine ungenutzte Möglichkeit für Eltern und Kind. Fragen Sie Ihr Kind:

Wie fühlst du dich?
Bedrückt dich etwas?
Wie fühlt es sich an, gute Laune zu haben, wie schlechte?
Woher kommen diese Unterschiede, welche Situation hat dich glücklich oder unzufrieden werden lassen?

Diese Fragen werfen einen Blick auf das Selbst, dass man versucht wahrzunehmen. Dasselbe gilt für die Fremdwahrnehmung, nur das die Fragen nicht auf das Selbst, sondern auf andere gerichtet wird.

Wie fühlen sich andere Kinder, wenn du ihnen das Spielzeug wegnimmst?
Was glaubst du, warum dein Freund böse war?
Ihr habt sehr viel Spaß gehabt heute, denkst du deine Freundin hatte auch so viel Spaß?

Die Perspektive zu wechseln und Mitgefühl zu zeigen, ist menschlich doch formbarer als lange Zeit angenommen. Eltern und Kind befinden sich gemeinsam auf dieser Reise und können die Gefühlswelt des Kindes mit solchen Fragen feinfühlig anleiten. Im Land des Mitgefühls und der Empathie werden wir näher hierauf eingehen, ab welchem Alter Kinder die Gefühle ihres Gegenüber zu identifizieren lernen.

Die Selbstregulation, ist die Fähigkeiten einem Impuls zu wiederstehen. Wie wir alle wissen, ist dies nicht immer so leicht, wie sich das anhören mag. Für Kinder ist dies ein Lernfeld, das sie zum ersten Mal berühren werden. Aus diesem Grund ist Selbstaufmerksamkeit eine wichtige Grundlage und selbstredend benötigen Kinder etwas Zeit, bis sie sich selbst reflektieren können. Im Alter von 4-5 Jahren ist diese Fähigkeit meist in den ersten Kinderschuhen. Kinder benötigen ein Erinnerungsvermögen, um sich selbst als eigenständige Persönlichkeit zu entdecken, und Eltern können diesen Fortschritt im Alltag durchaus altersentsprechend begleiten. Reagieren Sie einfühlsam und unterstützend auf ihr Kind.

Kleinkinder deren Eltern einfühlsam und unterstützend mit ihnen umgehen, zeigen mehr Einwilligungsbereitschaft und Selbstkontrolle.

Sagen Sie dem Kind vorher Bescheid, wenn es in nächster Zeit eine vergnügliche Aktivität beenden muss.

Gerät das Kind in ein emotionales Chaos, beantworten Sie dies mit Ruhe und Kraft – leben Sie vor und begleiten sie ihr Kind aus Stresssituationen mit Nähe und Zuversicht.

Kleinkinder empfinden es als schwieriger, eine schon begonnene lustvolle Aktivität zu unterbrechen, als darauf zu warten, eine solche beginnen zu können.

Reagieren Sie auf das Verhalten des Kleinkindes, das Selbstkontrolle erkennen lässt, mit verbaler und körperlich geäußerter Bestätigung.

Jedes Kind möchte aus eigener Kraft etwas bewirken können und lernt in frühen Jahren der Kindheit durch aktives „Be-greifen“. Der Glaube und die Erfahrung, durch das eigene Handeln etwas zu vollbringen und, wenn es nötig wird, Hindernisse zu überwinden – sind Schlüsselerfahrungen. Kinder, die diese Erfahrung machen, erschließen sich Selbstsicherheit und Selbstwirksamkeit.

„Ich kann aus eigener Kraft Herausforderungen meistern.“
Selbstwirksamkeitserfahrungen werden somit Teil von Lernprozessen. Denn nur wer das Gefühl hat, seinen Handlungen einen Erfolg beizumessen, und daraus eine positive Erfahrung kreiert, nimmt weitere Anstrengungen auf sich. Deshalb finden wir Selbstwirksamkeit ganz im Sinne von Albert Bandura, der dieser Lerntheorie Leben einhauchte, im Land der Bildung.

Wie sollen sich Eltern in Stresssituationen verhalten? Sollen sie die Kinder beruhigen, trösten und ihnen gut zureden? Oder soll man möglichst wenig Aufsehen erregen und die Angelegenheiten die Stress verursachen kommentarlos bereinigen?

Was in weinenden und gekränkten Kindern vor sich geht, zeigen neuere Forschungen aus der Neurologie. Um zu verstehen, weshalb es von großer Bedeutung ist, ein Kind zu trösten und ihm zu helfen seine eigenen Gefühle zu kontrollieren, hat einen entscheidenden Grund: Das Gehirn eines Kindes ist zum Zeitpunkt der Geburt noch nicht vollständig ausgereift und wird sich im Laufe der Lebensjahre weiterentwickeln; dazu bedarf es nicht nur der Entwicklung der inneren Welt, sondern auch die Umwelt trägt ihren Teil dazu bei – beispielsweise durch individuelle Erfahrungen. Das bedeutet Folgendes (wir heben dies in mehreren Ländern immer wieder hervor):

Kinder sind darauf angewiesen, dass ihre Eltern sie unterstützen bei Angst, Wut und Stress. Sie haben noch keine ausreichenden Bewältigungsstrategien entwickelt, um mit der Vielfalt eintreffender Ereignisse umzugehen. Wenn Kinder emotional erregt sind (weinen, schreien, trotzen), ist ihr autonomes Nervensystem aus dem Gleichgewicht, im Gehirn des Kindes sind Überreizungen, es ist überaktiv. Helfen Sie deshalb stets Ihrem Kind, Stress zu regulieren. Der Umgang mit Stress wird dann zunehmend selbständig erlernt, wenn Kinder Vertrauen darin haben, dass Stressmomente immer mit einer Lösung daherkommen und keine dauerhaften oder langanhaltenden Zustände sein müssen.

Vermitteln Eltern Sicherheit und zeigen auch sie Achtung gegenüber den Wünschen des Kindes, fühlt es sich – sei es im Umgang mit anderen, in ihrer Vertrauensfindung, in ihrem Selbstwertgefühl, in ihrer Haltung sich selbst und anderen gegenüber – ernst genommen.

  • Hören wir unserem Kind aufmerksam zu, wenn es etwas zu sagen hat?

  • Lassen wir uns bei manchen Entscheidungen im Alltag auf unser Kind ein?

  • Wie gehen wir auf unser Kind zu, wenn es weint?

  • Wie verhalten wir uns, wenn unser Kind (für uns nicht nachvollziehbar) wütend ist oder trotzt?

  • Was führte zum Konflikt und wie haben wir uns dabei gefühlt? Wie lösen wir Konflikte?

Spricht man gemeinsam über Gefühle und Gefühlszustände fördert man dadurch, mit einer lösungsorientierten Haltung, die sozialen Kompetenzen seines Kindes heraus. Um dies zu verdeutlichen, spielen wir mehrere Möglichkeiten durch, die uns ein elterliches Handeln vor Augen führen, welches sich positiv auf die Resilienz auswirken kann. Wir blicken nachfolgend auf drei kleine Beispiele, in welchen deutlich werden soll, wie kleine alltägliche Handlungen und eine grundsätzliche offene elterliche Haltung, Kinder in ihrem Selbstbild, ihrem Umgang mit Stress oder ihren sozialen Kompetenzen unterstützen.

PraxisBeispiel

Der kleine Luis spielt mit seinen Spielsachen und hat etwas gebaut, das er unbedingt Papa zeigen möchte. Sein Interesse wird durch Zuneigung von Seiten des Vaters beantwortet; dieser sieht, wie viel Mühe sich Luis gegeben hat, und drückt dies auch aus. Luis fühlt sich beachtet und wertgeschätzt. Luis fühlt sich selbst wirksam (Selbstwirksamkeit)
und die aufmerksame Rückmeldung seines Papa führt zu einer positiven Selbstwahrnehmung.

Fiona (4) weint. Sie ist sauer, weil sie nun vom Spielplatz gehen soll, da ihre Eltern heim möchten. Ihr Körper ist geflutet von Stress, sie verliert fast den Bezug zu ihrer Umgebung, so wütend ist sie. Ihre Eltern reagieren feinfühlig und bemerken selbst, dass sie den Weg nach Haus zu abrupt angekündigt haben. Sie lassen Fiona noch fünf Minuten spielen, rufen sie dann noch einmal zu sich und erklären, dass sie bald heim möchten. Wie lange möchtest du noch spielen? Sollen wir noch gemeinsam ein Spiel spielen, bevor wir gehen?

Fiona reguliert ihren Stress (Selbstregulationsfähigkeit)
mit der Hilfe von Mama und Papa. Sie bemerkt, dass sie ernst genommen wurde und man sie als eigenständige Person anerkennt. Sie spürt wie ihre Eltern einen anstehenden Konflikt durch den Dialog lösen und Kompromisse finden, anstatt über sie hinwegzusprechen – Soziale Kompetenz / Problemlösefähigkeit.

Felix (5) ist bereits in frühen Jahren ein Anführer. Auf dem Spielplatz gibt er den Ton an, was nicht jedem Kind auf Anhieb recht ist. Manchmal greift er sich, was nicht ihm gehört, manchmal springt er einfach auf und läuft weg, während ein anderes Kind ihm gerade etwas zeigt. Felix kann bereits, wenn man ihn darauf aufmerksam macht, sich in die Gefühlswelt eines anderen Kindes hineinversetzen. Nicht beim ersten Mal, doch nach mehreren Versuchen schaffen es seine Eltern, ihm zu erklären, dass seine Freunde bald nicht mehr mit ihm spielen werden, wenn er nicht teilt und sie mehr mit einbezieht.

Felix lernt dabei, sich selbst besser wahrzunehmen und seine Freunde zu berücksichtigen – Positive Selbstwahrnehmung/Fremdwahrnehmung / Soziale Kompetenz.

Die Grundbausteine der Resilienz aus Sicht des Kindes in der Familie

Ich habe:

  • Eltern, die mich gern haben und die mir helfen (Sicherheit)

  • Eltern, welchen ich vertrauen kann, dass sie mir bei negativen Gefühlen helfen, anstatt mich zu verurteilen

  • Eltern, die mir zeigen, wie man mit negativen Gefühlen umgeht, und dass hinter ihnen Lösungen liegen

  • Eltern, die mir helfen, selbständig zu handeln, dort, wo ich bereits selbständig handeln kann

Ich bin:

  • eine liebenswerte Person und respektvoll mir und andern gegenüber (Selbst-Wertschätzung)

  • nicht falsch, wenn ich mich mal schlecht benehme oder nicht richtig reagiert habe

  • bereit, zu anderen höflich zu sein

  • mir gewiss, dass alle Herausforderungen und Probleme mit meinen Eltern gemeistert werden können

Ich kann:

  • Wege finden, Probleme zu lösen und mich selbst emotional zu steuern.

  • Mit meinen Eltern über alles reden

  • Offen auf meine Eltern zugehen, auch wenn ich das Gefühl habe, etwas falsch gemacht zu haben

  • Die Gefühle anderer Person wahrnehmen und auf diese reagieren

  • An meinen Herausforderungen wachsen

Fakt aus der Forschung

Emmy Werner untersuchte Kinder, die trotz widriger Lebensumstände sich zu selbständigen jungen Menschen entwickelten. Die Studie begann 1955 auf der hawaiianischen Insel Kauai, wo sie über 32 Jahre hinweg 698 Kinder beobachtete. Dabei achtete die Forscherin auf die psychische Entwicklung ab der Geburt bis hinein ins Erwachsenalter. Darunter befanden sich Kinder aus ärmlichen Verhältnissen, aber auch Kinder mit psychisch kranken Eltern, die in sehr schwierigen Lebens- und Familienverhältnissen aufwuchsen. Trotz solch hoher Belastungen in frühen Kindheitsjahren zeigten 72 Kinder gute Entwicklungsergebnisse und fanden sich als optimistische, verantwortungsvolle und positiv eingestellte Persönlichkeiten wieder. Man schloss daraus auf verschiedene Schutzfaktoren, die über den Zeitraum der Entwicklung Resilienz entstehen ließen.

Kauai-Studie: Werner, E. & Schmidt, R. (1992). Overcoming the odds. High risk children from birth to adulthood. Ithaca: Cornell University Press.

 

Resilienz ist nicht angeboren, sondern erlernbar

Jedes Kind hat die Fähigkeit, kreativ und selbstbestimmt auf eintretende Ereignisse mit seiner ganz eigenen Gedankenwelt zu reagieren. Die zentrale Aussage der Resilienz ist demnach kein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal, sondern wird im Alltag, im Familienleben und im gesellschaftlichen Austausch erlernt. Kinder lernen auch im Spiel mit Gleichaltrigen sehr viele neue Feinheiten des eigenen Verhaltens kennen, und spätestens zur Schulzeit haben sie bereits die ersten Erfahrungen gesammelt.

Man dachte lange Zeit, dass Resilienz ein Persönlichkeitsmerkmal ist, das genetisch bei einigen Kindern etwas vorteilhafter ausgelegt wäre. Dass dem nicht so ist, weiß man heute. Denn trotz aller genetischen Veranlagungen ist Resilienz erlernbar, und zwar in der aktiven Auseinandersetzung. Die Kontrolle der eigenen Gefühle, ein Verständnis für Konflikte und ihre Lösungen, sind durch Umwelterfahrungen erlernbar. Die Kindheit ist eine Reifezeit, auch in Hinsicht auf psychische Errungenschaften wie die Resilienz. Sie gleicht einem langen Lernprozess, der das ganze Leben über anhalten kann und mit ständigen Fort- und Rückschritten in alltäglichen Familiensituationen erprobt wird.  Das heißt, dass Krisen und Konflikte zu dieser Entwicklung leider auch dazugehören. Mit ihnen umzugehen, ist Teil des Lebens; über sie zu kommunizieren, die Aufgabe der Familie, mit Einsicht, Verständnis, manchmal Humor und manchmal Klarheit. Viele Studien haben bereits bestätigt, dass Widerstandsfähigkeit zu großen Teilen erlernbar und somit nicht angeboren ist. Eine positive Lebenseinstellung, die Förderung von Selbstwirksamkeit und der Glaube daran, dass Probleme lösbar bleiben, sind erlernbar, ja sogar trainierbar. Wenn Kinder widrige Lebensumstände, kleine Konflikte und familiäre Herausforderungen bewältigen lernen, können sie die Handlungs- und Orientierungsmuster, die sie dabei verinnerlichen, auch für zukünftige kritische Situationen nutzen. Eine wichtiger Teil des Lebens ist es demnach zu erkennen, dass jede noch so unausweichlich schwierige Situation bezwingbar ist, wenn man mit der richtigen Einstellung herangeht.

Resilienz bleibt nicht für immer, sie will erprobt, trainiert und wiederholt werden.

Sie garantiert keine lebenslängliche Immunität gegenüber negativen Ereignissen oder psychischen Störungen, sondern ist je nach Lebensabschnitt ständiger Veränderung unterworfen. Schwierige Situationen sind Teil des Lebens, und der Umgang mit ihnen ist nie derselbe. Zwar gleichen sich viele Herausforderung in ihrer Art, doch treffen sie uns meist überraschend und unvorhergesehen und stets neu zu jedem Lebensalter. Die Gefühlslage, die innere Einstellung, doch auch die Bewertung von außen machen Herausforderungen ein jedes Mal aufs Neue zu Situationen, die sich unterscheiden. In der Auseinandersetzung mit diesem Thema erkennen wir, dass Resilienz keine Größe ist, die wir einmal erlernen und dann nie mehr anrühren müssen. Widerstandskraft will immer wieder aufs Neue erprobt sein und zu jedem Zeitpunkt an die eintretenden Lebensereignisse angepasst werden. Dazu bedarf es Vorbildern, Bezugspersonen, die eine Mitwelt bieten, die vorleben und genau dann, wenn sich verschiedene Hürden auftun, bereit sind, immer wieder aufs Neue die Ungereimtheiten des Familienlebens zu entziffern und gemeinsam zu lösen.

Was sagt die Forschung?

Resilienz, hängt von mehreren Faktoren ab, die sich auch in den Forschungsergebnissen durchsetzen:

  • Enge emotionale Beziehung zu den Eltern, mit dem daraus entstehenden Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit und Zuverlässigkeit (siehe Kontinent der Bedürfnisse);

  • Ermutigungen und der Glaube, beziehungsweise die Erfahrung im Miteinander, dass „Probleme“ lösbar sind und man sich nicht an ihnen aufreibt, sondern den Mut hat, sie anzugehen und aus ihnen herauszutreten;

  • Akzeptanz und Respekt erfahren – das kindliche Verhalten muss akzeptiert werden, erklärend, helfend, beobachtend und wenn nötig begleitend vom Problem zur Lösung;

  • ein Erziehungsstil, der durch Wertschätzung und Akzeptanz dem Kind gegenüber sowie durch ein unterstützendes und strukturierendes Erziehungsverhalten gekennzeichnet ist;

  • kompetente und fürsorgliche Erwachsene außerhalb der Familie, die als positive Rollenmodelle dienen, Mut zusprechen und vorleben, wie man Krisensituationen im Alltag bewältigt (z. B. Großeltern, FreundInnen, LehrerInnen);

  • positive Kontakte zu Gleichaltrigen und Freundschaftsbeziehungen; wertschätzendes Klima in den Bildungseinrichtungen;

  • frühzeitige Einbindung von Kindern in wichtige Entscheidungsprozesse. Dadurch können sie ein Gefühl für Selbstwirksamkeit und Kontrolle über ihr eigenes Leben entwickeln;

  • Übertragung von realisierbaren, kleinen Verantwortlichkeiten an Kinder. Dadurch gewinnen sie Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und lernen, selbstbestimmt und selbstorganisiert zu handeln.

Fazit

Viele der Ergebnisse der Resilienzforschung werden bereits in der pädagogischen Praxis gelebt. Eltern fördern resiliente Verhaltensweisen bei Kindern dadurch, dass sie das Kind ohne Vorbedingungen wertschätzen. Interesse an den Aktivitäten des Kindes zu zeigen ist ebenso förderlich, wie dem Kind nichts abzunehmen, was es schon kann. Indem Eltern dem Kind helfen, seine Stärken zu stärken und seine Schwächen zu schwächen, unterstützen sie seine resiliente Entwicklung. Dazu gehört auch, das Kind nicht unnötig vor Anforderungen zu bewahren, denen es bereits gewachsen sein könnte, und ihm dabei zu helfen, ein positives Vertrauen in die Zukunft zu entwickeln. Auf individueller Ebene bedeutet dies: Signalisieren Sie dem Kind gegenüber Gesprächsbereitschaft, kommunizieren Sie ohne Ironie mit dem Kind und hören Sie ihm aktiv zu. Leben Sie Kindern eine gute Beziehungskultur vor. Darüber hinaus gilt es die eigenen Erwartungen unter die Lupe zu nehmen und die Individualität des Kindes zu berücksichtigen. Es geht also darum, sich in das Kind hineinzuversetzen und die Welt mit seinen Augen zu sehen, die Sichtweise des Kindes zu verstehen und gelten zu lassen.

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Sonnleitner
Susanne Sonnleitner
Familylab-Seminarleiterin,
Naturpädagogin,
Familienpflegerin